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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers
Autoren: Dean R. Koontz
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ihn groß an.
    Drei der vier Kinder setzten den Weg zum gegenüberliegenden Straßenrand fort, und Jim gewann den Eindruck, daß der Gehsteig Sicherheit bot. Die Straße hingegen war das Revier des Todes.
    Er musterte das zurückgebliebene Kind, ein kleines rothaariges Mädchen, das sich zu ihm umwandte und verwundert blinzelte.
    Fünfzehn Sekunden.
    Nein, nicht das Mädchen. Jim sah in seine jadegrünen Augen und begriff, daß es leben würde. Er wußte es einfach.
    Die anderen Kinder erreichten den Bürgersteig.
    Vierzehn Sekunden.
    Jim wirbelte herum und blickte in die andere Richtung. Vier weitere Kinder betraten die Straße.
    Dreizehn Sekunden.
    Die vier Schüler wanderten in einem weiten Bogen um ihn herum und warfen ihm dabei argwöhnische Blicke zu. Jim ahnte, daß er wie ein Verrückter wirkte: Er stand mitten auf der Straße, die Augen weit aufgerissen, und Furcht verwandelte sein Gesicht in eine Grimasse.
    Elf Sekunden.
    Keine Wagen in Sicht. Aber nur etwa hundert Meter trennten die Kreuzung von der Hügelkuppe. Vielleicht näherte sich auf der anderen Seite ein leichtsinniger Fahrer, der mit Vollgas heranraste. Als Jim dieses Bild vor dem inneren Auge betrachtete, wußte er sofort, daß es einer prophetischen Vision gleichkam. Jetzt war ihm klar, welches Instrument der Tod benutzte: einen betrunkenen Autofahrer.
    Acht Sekunden.
    Er wollte schreien, den Kindern zurufen, sich in Sicherheit zu bringen. Aber vielleicht gerieten sie dadurch in Panik. Vielleicht hätte eine Warnung dazu geführt, daß der betreffende Schüler direkt in die Gefahr lief, anstatt sich davon zu entfernen.
    Noch sieben Sekunden.
    Jim vernahm das dumpfe Brummen eines Motors, das kurz darauf zu einem lauten Dröhnen wurde, dann zu einem überdrehten Schrillen. Ein Kleinlieferwagen sauste über die Hügelkuppe, und für einen Sekundenbruchteil verlor er tatsächlich den Bodenkontakt. Das Licht der Nachmittagssonne glitzerte über die Windschutzscheibe und funkelte auf den Chromteilen, ließ das Fahrzeug wie einen flammenden Streitwagen erscheinen, der am Tag des Jüngsten Gerichts vom Himmel herabdonnerte. Es quietschte, als die Vorderreifen wieder den Asphalt berührten, und der Heckbereich touchierte mit einem fast ohrenbetäubenden Krachen die Straße.
    Fünf Sekunden.
    Die Kinder stoben davon - bis auf einen blonden Jungen, dessen violette Augen an die Farbe von verblaßten Rosenblüten erinnerten. Er blieb einfach stehen und hielt einen Lunchkasten mit bunten Zeichentrickfiguren, bei seinem einen Turnschuh hatten sich die Schnürsenkel gelöst. Der Knabe rührte sich nicht von der Stelle, er schien zu spüren, daß der ihm entgegenrasende Lieferwagen sein Schicksal verkörperte, dem er unmöglich entrinnen konnte. Er mochte acht oder neun Jahre alt sein, und die Zukunft hielt nur ein Grab für ihn bereit.
    Zwei Sekunden.
    Jim sprang nach vorn und packte den erstarrten Jungen. Es fühlte sich an wie ein quälend langsamer Schwalbenschwung von einer hohen Klippe, als er den Knaben zu Boden riß und mit ihm zum Rinnstein rollte. Er merkte den Aufprall überhaupt nicht. Schrecken und Adrenalin betäubten seine Nerven, schützten ihn vor dem Schmerz; ebensogut hätte er über eine Wiese mit samtweichem Gras rollen können.
    Das Röhren des Motors wurde noch lauter und füllte seinen ganzen Wahrnehmungskosmos. Das Donnern schien in ihm zu sein, und er fühlte, wie ihn etwas am linken Fuß berührte, mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Gleichzeitig spürte er ein erbarmungsloses Zerren, das brodelndes Feuer durch sein Bein schickte, zur Hüfte emporkochte und wie eine Feuerwerksrakete in den Gelenken explodierte.
    Zornig lief Holly dem Mann nach, der sie fast zu Boden gestoßen hätte, sie war fest entschlossen, ihm die Meinung zu sagen. Aber bevor sie die Kreuzung erreichte, raste ein grauroter Kleinlieferwagen über die Hügelkuppe wie ein Geschoß, das eine Kanone abgefeuert hatte. Die Journalistin blieb am Straßenrand stehen.
    Das Kreischen und Heulen des Fahrzeugs übte einen sonderbaren Zauber aus, der den Flug der Zeit verlangsamte und jede Sekunde zu einer Minute dehnte. Der Fremde riß den Jungen beiseite und bewegte sich dabei mit einer erstaunlich agilen Anmut, als tanze er ein exotisches Zeitlupenballett auf dem Asphalt. Die Stoßstange des Wagens traf seinen linken Fuß, und Holly beobachtete entsetzt, wie der eine Schuh des Mannes hoch in die Luft geschleudert wurde und sich dabei mehrmals um die eigene Achse drehte. Ein
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