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Die Kälte Des Feuers

Die Kälte Des Feuers

Titel: Die Kälte Des Feuers
Autoren: Dean R. Koontz
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netzartige Gespinst aus Licht schien im Rhythmus der lachenden Kinderstimmen zu pulsieren, und eigentlich hätte sich daraus ein Eindruck von Frieden und Idylle ergeben sollen.
    Doch der Tod kam.
    Plötzlich begriff Jim, daß die Schwärze einen der Schüler bedrohte und nicht etwa die drei Lehrer vor der Veranda. Der Tod kam, um ein Kind zu holen. Wie? Nein, keine große Katastrophe, keine Explosion, keine Flammen, auch kein abstürzendes Flugzeug, dessen Trümmer Dutzende von Jungen und Mädchen umbringen würden. Nur eine kleine Tragödie. Aber wen betraf sie?
    Jim wandte seine Aufmerksamkeit von der allgemeinen Szene ab und konzentrierte sie auf die einzelnen Personen. Er musterte die Kinder, während sie sich ihm näherten, hielt in ihren jungen, unschuldigen Gesichtern nach Anzeichen für den unmittelbar bevorstehenden Tod Ausschau. Doch sie alle wirkten so, als erwarte sie ein ewiges Leben.
    »Wer?« fragte Jim laut, sprach weder mit sich selbst noch zu den Schülern. Vielleicht richtete er die Frage an Gott. »Wer?«
    Einige Kinder wanderten zu dem Fußgängerüberweg an der Kreuzung; andere liefen nach unten, zum anderen Ende des Blocks. In beiden Richtungen standen Frauen, die orangefarbene Signalwesten und rote, paddelartige Schilder mit der Aufschrift >Stop< trugen. Sie begannen nun damit, die Schüler in kleinen Gruppen über die Straße zu führen. Es rollten keine Autos oder Lastwagen heran, und der Verkehr hätte selbst ohne die wachsamen Frauen kaum eine Gefahr dargestellt.
    Noch anderthalb Minuten.
    Jim bemerkte zwei gelbe Transporter, die weiter unten am Straßenrand parkten. Die McAlbury School schien im Grunde genommen eine Nachbarschaftsschule zu sein, die von den meisten Schülern zu Fuß erreicht werden konnte, aber einige von ihnen stiegen nun in die Kleinbusse. Die beiden Fahrer standen an den Türen, lächelten und scherzten mit den überschwenglichen, lebhaften Passagieren. Keines der Kinder schien bedroht zu sein, und Jim verglich die fröhlichgelben Fahrzeuge nicht mit Leichenwagen.
    Doch der Tod kam näher. Er war fast da.
    Eine seltsame Veränderung erfaßte die Szenerie. Sie fand keinen Niederschlag in der objektiven Realität, sondern beschränkte sich auf Jims Wahrnehmung. Das goldene Gespinst des Lichtes verlor einen Teil seines Glanzes, und die schwarzen Zonen im komplexen Filigranmuster wuchsen: kleine Schatten in Form von Blättern oder Bündeln aus immergrünen Nadeln; größere Schatten von Baumstämmen, Zweigen und Ästen; finstere Streifen von den Gitterstäben im eisernen Zaun. Jeder dunkle Punkt öffnete ein mögliches Tor für den Tod.
    Noch eine Minute.
    Jim hastete einige Schritte weit über den Hang, erreichte die Kinder, spürte ihre verwirrten Blicke, als er sie nacheinander ansah und nicht wußte, nach welchem Zeichen er suchte. Der Koffer baumelte hin und her, stieß ihm mehrmals ans Knie.
    Noch fünfzig Sekunden.
    Jim beobachtete, wie sich die Schatten ausdehnten und miteinander verschmolzen.
    Er verharrte, drehte sich um und blickte am Hügelhang empor zum Ende des Blocks. Dort stand eine der Verkehrswächterinnen: Mit der einen Hand hob sie ihr rotes Stoppschild, mit der anderen winkte sie mehreren Schülern zu. Fünf Kinder gingen über die Straße, und weitere sechs näherten sich der Ecke.
    »Stimmt was nicht, Mister?« fragte einer der Kleinbusfahrer.
    Vierzig Sekunden.
    Jim ließ den Koffer fallen und lief nach oben zur Kreuzung. Er wußte noch immer nicht, was sich anbahnte und welchem Kind Gefahr drohte. Die Richtung wurde von jener unsichtbaren Hand bestimmt, die ihn veranlaßt hatte, seine Sachen zu packen und nach Portland zu fliegen. Erschrockene Kinder wichen ihm aus.
    Am Rande seines Blickfelds war alles tintenschwarz, und er sah nur noch das, was sich direkt vor ihm befand. Von einer Straßenseite zur anderen wirkte die Kreuzung wie eine Bühne, auf die das Licht eines Scheinwerfers fiel, während rechts und links alles finster blieb.
    Eine halbe Minute.
    Zwei Frauen hoben überrascht den Kopf und machten nicht schnell genug Platz. Jim versuchte, ihnen auszuweichen, stieß jedoch gegen eine Blondine in einem leichten weißen Sommerkleid und warf sie fast zu Boden. Er eilte weiter, spürte den Tod als unmittelbare, kalte Präsenz.
    An der Kreuzung verließ er den Bürgersteig und rannte
    über den Asphalt. Vier Kinder auf der Straße, eins von ihnen das Opfer. Aber welches? Und was stand ihm bevor?
    Zwanzig Sekunden.
    Die Verkehrswächterin starrte
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