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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Alistair gefallen hätte. Sie waren sich einig, dass der Steinmetz unter seinem Na men und den Lebensdaten ein Pokerblatt aus dem Stein meißeln sollte, und zwar einen Royal Flush.
    »Zu dumm, dass der Wüstenwind die Papyri aus der Schatulle ge rissen und sie in alle Himmelsrichtungen verstreut hat«, bedauerte Horatio eine Weile später. »Jetzt wird die Welt wohl nie erfahren, was wirklich in diesem Judas-Evangelium stand.«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach Byron. »Wenn diese Papyri wirklich aus der Feder des Judas Iskariot stammten, dann wird es da von Abschriften geben. Es war durch alle Jahrhunderte hinweg üb lich, von solchen Schriften vielfache Kopien anzufertigen. Womög lich war es ja auch nur eine solche Kopie, auf die Mortimer gestoßen ist. Und irgendwann wird eine andere Abschrift bei einer Ausgra bung auftauchen. Dessen bin ich mir ganz sicher. Die Wüste birgt noch viele Geheimnisse.«
    »Apropos Geheimnisse«, sagte Horatio. »Ich werde mich mal hi nüber in den Speiseraum begeben und sehen, was die Karnak ihren Gästen zum Frühstück zu bieten hat. Ich habe plötzlich einen Hun ger wie schon lange nicht mehr.«
    »Erlauben Sie mir, mich Ihnen anzuschließen«, sagte der Butler, dem ebenfalls der Magen knurrte. In den vergangenen Tagen mit all den Verhören hatten sie nur wenig Appetit verspürt. »Auch ich ver nehme deutlich den Ruf der Natur, die nach ihrem Recht verlangt.«
    »Wir kommen gleich nach«, sagte Byron, der noch eine Weile mit Harriet allein sein wollte.
    Kaum hatten sich Horatio und der Butler entfernt, als Harriet die beiden Fläschchen mit Laudanum hervorholte. »Ich glaube, das brau che ich nicht mehr«, sagte sie und warf sie über Bord. »Bestimmt wird es jetzt mit den Albträumen besser werden.«
    Byron lächelte. »Ich werde dein Wächter sein«, versprach er.
    Harriet hakte sich bei ihm ein und verschränkte ihre Finger mit de nen seiner Hand. Schweigend, aber mit inniger Verbundenheit standen sie an der Reling und blickten auf den Fluss hinaus. Zwar kehrten ihre Gedanken immer wieder zu Alistair zurück, doch öfter als in den letzten Tagen richteten sie sich nun auf ihre gemeinsame Zukunft, die so frisch und verheißungsvoll vor ihnen lag wie der junge Morgen über dem Nil.

Nachwort
    D iese abenteuerliche Geschichte über die Suche nach den Schriften des Judas Iskariot ist reine Fiktion, jedoch basiert sie streckenweise auf historischen Tatsachen. Der kundige Leser wird zweifellos auch die vielfältigen Anspielungen auf literarische Vorlagen wie die Roma ne Der dritte Mann von Graham Greene, Dracula von Bram Stoker oder Mord im Orient-Express von Agatha Christie und auf einige ande re, nicht ganz so deutliche Motive wiedererkannt haben.
    Auch für die Figur des Basil Sahar habe ich mich teilweise der Biografie einer historischen Person bedient, die zur Zeit meiner Romanhandlung gelebt hat. Dieser berühmt-berüchtigte Waffenhändler hieß im wahren Leben Bazil Zaharoff, er wurde später zum Sir erho ben und war Träger des Großkreuzes der Ehrenlegion und Ritter des Ordre du Bain . Dieser Mann brachte es im wahren Leben wie in mei ner Geschichte vom bettelarmen »Fremdenführer« und »Feuerwehrmann« in Konstantinopel zu einem der erfolgreichsten, weltweit agierenden Waffenhändler seiner Zeit. Wie mein Basil Sahar, so ver brachte auch er einen Großteil seines Geschäftslebens im Orient-Ex press, belegte dort stets das Abteil Nr. 7 und war dafür bekannt, dass er in Wien regelmäßig Frauen zusteigen ließ, die wenig auf einen gu ten Ruf gaben. Auch der Zwischenfall mit dem geistesgestörten spanischen Adligen, der seine gerade frisch angetraute Frau im Zugabteil mit einem Messer angriff und verletzte und die von Bazil Zaha roff sowie dessen Leibwächter gerettet wurde, hat sich ereignet, und zwar im Jahr 1886, nicht jedoch dessen Mordanschlag auf den Waffenhändler. Diese Frau wurde danach die Geliebte von Bazil Zaharoff und achtunddreißig Jahre später, nach dem Tod ihres spani schen Mannes, auch dessen Ehefrau. Natürlich verbrachten sie ihre Hochzeitsnacht in Abteil Nr. 7 des Orient-Express.
    Dass an der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert, als an vielen Ecken der Welt Kriege schwelten oder geführt wurden, in allen Industriestaaten die Entwicklung und der Bau von U-Booten mit aller Macht vorangetrieben wurden, ist ebenfalls keine Fiktion. Untersee boote wie die von mir beschriebene Argonaut VI wurden in dieser Zeit gebaut und das Osmanische Reich war nicht
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