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Die Janus-Gleichung

Die Janus-Gleichung

Titel: Die Janus-Gleichung
Autoren: Steven Spruill
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sich einfach sammeln, überdenken, was geschehen war. Vielleicht konnte er in den Bewußtseinspuren des Meningigrams einen Anhaltspunkt finden, bevor sie sich in einem Traum verloren, der nicht wiederholbar sein würde. Die Sprechanlage summte, und der Sekretär teilte ihm mit, daß Janet Pierson im Vorzimmer wartete. Essians Kopf war auf einmal völlig leer, und während ein paar qualvoller Sekunden entschied er sich dagegen, eine Entschuldigung zu erfinden, um die Frau nicht zu sehen.
    »Sie soll ‘reinkommen«, sagte er hilflos. Er ging ihr bis zur Tür entgegen, und sie berührte seinen Arm zur Begrüßung, zog aber die Hand schnellstens zurück, als sie die Warnung in seinen Augen las. Er versuchte sie mit einem Lächeln zu überspielen, aber sie hatte schon weggeblickt, sich zurückgezogen und gab vor, den Raum zu inspizieren. Er flüchtete zum Wandschrank, wo sich die Bar befand und goß sich einen nicht gerade kleinen Sherry ein.
    »Was zu trinken?«
    »Nein, danke.« Aus ihrem Ton war leichte Mißbilligung herauszuhören. Sie ließ sich in dem Sessel nieder, der von Essian am weitesten entfernt war und verschränkte die Hände über dem Knie. Die Handrücken waren sonnengebräunt, der kurze Schopf von der zahlreichen Wochenenden auf der Firmenjacht des Finanzchefs von Meridian fast weiß gebleicht. »Ich wollte nur auf einen Sprung bei unserem Freund und Wohltäter Janus vorbeischauen. Wie ist es? Hat er inzwischen sein zweites Gesicht enthüllt?«
    Essian zwang sich zu einem Lachen und schaltete die Notiztafel ein, als er sich hinter seinem Schreibtisch niederließ.
    »Siehst du irgend etwas Neues?«
    Sie betrachtete die Tafel aufmerksam, während Essian mit der absurden Vorstellung spielte, daß sie erstaunt sein könnte.
    »Nichts Neues«, sagte sie.
    »Du hörst dich gelangweilt an.«
    Sie taxierte ihn, als ob sie herausfinden wolle, wie weit sie gehen könne. »Das ist ganz alleine dein Projekt, Paul.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen, daß du der einzige bist, der die Gleichung lösen kann. Ein paar von uns können deinen Berechnungen folgen, aber keiner weiß, wie es weitergeht, keiner kann sie zu Ende führen, wenn er allein gelassen wird.«
    »Vorausgesetzt, daß sie überhaupt irgendwohin führt.«
    »Die da oben glauben aber, daß es sich lohnt, der Sache nachzugehen.«
    »Und du?«
    Sie rutschte im Sessel hin und her, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme. »Komm schon, Paul. Was macht es schon für einen Unterschied, was ich oder einer der anderen Abteilungsleiter denken? Wir haben uns mit dem Janus-Projekt zu befassen, bis es entweder erfolgreich ist oder gestrichen wird. Der Haken an der Sache ist, daß es keines von den üblichen Projekten ist –jedenfalls in mancherlei Hinsicht nicht. Wenn du abspringst, dann ist da niemand, der in die Bresche springen könnte. Die Leute in der Physikabteilung sitzen jetzt schon einen Monat lang tatenlos ‘rum; ihre Mathematikerwitze werden langsam gemein. Weder ich noch einer der anderen Mathematiker können dir helfen. Wir haben weder den Prestman-Preis gewonnen oder einen Vertrag über eine Million Dollar.«
    Der Hinweis auf sein Gehalt hatte ihn an seiner empfindlichen Stelle getroffen. Wie oft hatte er sich das schon selber vorgeworfen – daß er sein Geld nicht mehr länger wert war. Er suchte nach einer ätzenden Antwort, aber die Gelegenheit verstrich; sein Schweigen sprach für sich. Er überbrückte die Pause, indem er an seinem Sherry nippte.
    »Tut mir leid«, sagte Pierson. »Es ist bloß so, daß die Wetten inzwischen gegen dich stehen.«
    »Möchtest du lieber an einem anderen Projekt arbeiten?«
    »Das ist ein Schlag unter die Gürtellinie, Paul. Wie würde sich das in meinen Papieren ausnehmen?«
    »Daran hab’ ich nicht gedacht. Ich möchte nicht, daß meine Mitarbeiter sich meinetwegen unwohl fühlen. Die meisten von euch könnten sich mit anderen Dingen beschäftigen, als darauf zu warten, daß ich mein Schifflein wieder flott bekomme.« Essian stellte fest, daß er um ihre Sympathie heischte. Er stand auf. »Ermutige die Leute, ihre Entlassung zu beantragen. Such’ dir irgendwelchen bürokratischen Krempel zusammen und beschäftige den Rest damit. Sobald ich mit der Gleichung einen Fortschritt erzielt habe, lasse ich es dich wissen.«
    Piersons Gesichtsausdruck, der bereits etwas weicher geworden war, verhärtete sich wieder, und sie stand auf.
    »In Ordnung Paul.«
    Sie ging, und er sackte in
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