Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Janus-Gleichung

Die Janus-Gleichung

Titel: Die Janus-Gleichung
Autoren: Steven Spruill
Vom Netzwerk:
Ungeduld, weil der Barkeeper nicht sofort hinübergekommen war.
    Als sich Essian umdrehte, beschleunigte sich ihr Puls, denn sie wußte, daß er sie anschauen würde; das war dann schon der zweite Blick zwischen ihnen, ein Blick, der Wiedererkennen spiegeln würde, und ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu ihrer Bekanntschaft. Und er sah sie an; nachdem sein Blick zuerst über die anderen Tische geglitten war, huschte er über ihr Gesicht, aber nur um jenen winzigen Moment zu verweilen, den er sich selber zugestand, denn sie sah ihn direkt an. Diesmal lächelte sie nicht, sondern nahm nur den Augenkontakt auf, hielt seinen Blick fest und gab ihn dann frei, wohl wissend, daß nun alles andere von selber geschehen würde. Sie würde tun, weswegen sie gekommen war, und wenn es vorbei war, dann, ja dann würde er ihr sein Leben geben.

I
     
     
     
    Paul Essian saß an seinem Schreibtisch und versuchte nicht auf die Gleichung zu starren, als ihn der Anruf aus der Psychiatrie erreichte. Der Bildschirm seiner Notiztafel, der eine Wand des Büros bedeckte, war mit einem Wirrwarr mathematischer Symbole übersät, aber Essian starrte unverwandt durch die unvollständige Gleichung auf sein eigenes Spiegelbild, das ihm unbewegt aus der milchigen Durchsichtigkeit der Tafel entgegenblickte. Die Spiegelung war zu verschwommen, um sich genau erkennen zu können, und so schwang er sich in seinem Stuhl herum und verdunkelte das äußere Fenster des Büros zu einem chromglänzenden Spiegel. Die Augen des Spiegelbildes bohrten sich in die seinen, bis er dann den Blick über die sanfte Rundung der Wange und die fein gemeißelte Nase gleiten ließ; die Haut war so rein und weiß wie Alabaster. Über dem einen Ohr, dort wo er es zwischen den Fingern gedreht hatte, stand das Haar vom Kopf ab. Er glättete es; dann aber brachte er angeekelt das Fenster in einem ungeduldigen Druck auf einen Knopf an der Konsole seines Schreibtisches wieder in Ordnung. Das Telefon läutete, und er wandte sich ihm dankbar zu. Die rosafarbenen und weißen Flecken auf dem Tri-V-Schirm wurden schwächer und verdichteten sich zu Titus Goldings Kopf. Essians Freude über die Unterbrechung verschwand, und er schob seinen Stuhl ein paar Zentimeter zurück.
    »Hallo, Titus.«
    »Wie geht’s denn so, Paul?«
    »Gut.«
    »Fein. Dann geht es also mit der Gleichung voran?«
    Essian lächelte vage und sagte nichts.
    Golding lehnte sich in seinen Stuhl zurück, das holographische Bild seines Kopfes verzerrte sich ein wenig, und ein heller Schein flimmerte um die silberweiße Haarpracht. »Paul, würde es Ihnen etwas ausmachen, in mein Büro zu kommen?«
    »Jetzt?«
    »Wenn Sie Zeit haben.«
    Essian wußte genau, was Goldings Freundlichkeit zu bedeuten hatte. Er nickte und schaltete den Schirm ab. Während er durch die mit Teppichboden ausgelegten Gänge des A-Sektors ging, schnürte ihm der Ärger langsam die Kehle zu. Er atmete tief durch, und das Gefühl ließ langsam nach. Ein Sicherheitsbeamter vor dem Ausgang zur Geheimabteilung tastete die Codepünktchen ab, die in sein Handgelenk eingelassen worden waren und winkte ihn in den Hauptteil der Abteilung durch. Als Essian eintrat, saß Titus Golding noch genau so da, wie er ihn zuvor auf dem Schirm gesehen hatte. Aus seinem Panoramafenster, das ganz leicht der Krümmung des Meridian Alpha folgte, blickte man aus einer Höhe von 186 Stockwerken auf den östlichen Bereich der Turmstadt. Der Blick in die anderen Richtungen war derselbe: vom Unterbau des Turmes bis zum äußeren Kreis der Sonnenschilde und Windmühlen erstreckten sich zehn Kilometer Parkland. Hinter den Kraftfeldern befand sich dann der Wald, genauso, wie es schon vor vierhundert Jahren gewesen war, als die ehemaligen Vereinigten Staaten gegründet worden waren. Irgendwo dort draußen verschwand, wie Essian wußte, der Krater von Detroit langsam in der grünen Umarmung des Waldes.
    Golding stand auf und bedeutete ihm, Platz zu nehmen; der Stuhl paßte sich seiner Körperform an und begann eine Massage. Essian brachte die wellenförmigen Vibrationen zum Stillstand, indem er sich nach vorne beugte.
    »Sie wirken angespannt«, bemerkte Golding.
    Essian ärgerte sich über dieses Einleitungsmanöver, sagte aber nichts. Golding soll sich für seine Einblicke ruhig abstrampeln.
    »Sie haben sich recht vage ausgedrückt, als ich Sie nach der Janus-Gleichung gefragt habe«, fuhr der Psychiater fort.
    »Ich glaube nicht, daß ich vage war.«
    »Sie haben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher