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Die Janus-Gleichung

Die Janus-Gleichung

Titel: Die Janus-Gleichung
Autoren: Steven Spruill
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hatte, in der Zeit zu reisen.
    »Du hast mich manipuliert«, sagte er.
    »Ach, hör schon auf. Ich bin zurückgekommen, weil das die einzige Möglichkeit war mich, dich, zu retten. Du bist ein netter Mann, Paul. Ein guter Mann, und sehr männlich.«
    Essian fühlte, wie er eine Erektion bekam, und er stöhnte über die Absurdität der Angelegenheit. »Himmel, das ist der Gipfel an Narzißmus.«
    »Nicht wirklich«, sagte sie. »Ich bin ich und du bist du. Wir teilen eine Menge mehr Erfahrungen als die meisten Liebespaare …«
    »Laß das!« Seine Stimme klang verzweifelt, und er schrie fast.
    »Als die meisten Liebespaare«, wiederholte sie stur. Sie nahm seine Hände, streichelte die Handrücken mit den Daumen und seine Erektion fand neue Kraft. Obwohl er sich darüber im klaren war, was dieses Wissen für sie bedeutete, fühlte er sich noch immer unwiderstehlich von ihr angezogen. Aber sie war nun einmal nicht er. Sie war eine Frau und er war ein… was war er eigentlich?
    »Ein Mensch«, sagte sie.
    »Tu das nicht.«
    »Tut mir leid. Ich lese nicht wirklich deine Gedanken, ich erinnere mich bloß. Du hast dagesessen und dich gefragt, was du bist, und das ist auch ein Grund, weshalb ich zurückgekommen bin. Wie du vor ein paar Stunden entdeckt hast, habe ich den Körper eines Mannes aufgegeben und bin als Frau zurückgekehrt, um dir zu helfen, den Teil deiner selbst zu finden, der dich so sehr verwirrt.«
    »Aber das ist verrückt! Das heißt doch, daß ich die Ordnung…«
    »Nein, nicht die Ordnung; du kannst nie wieder die psychologische Ausrichtung ändern. Alles, was ich aufgegeben habe, war das Organ, nichts weiter als ein Körperteil. Nebenbei, es ist zur Wiederverwendung eingefroren. Wenn ich will, kann ich zurückgehen und mich schon morgen wieder umstellen lassen.«
    »Willst du das denn?«
    Sie lächelte und drückte seine Hand. »Das werde ich dir nicht sagen, Paul, denn es ist überhaupt nicht wichtig, wenn sich dieser ganze psychologische Nebel erst einmal gesetzt hat, dann wirst du das von ganz allein herausfinden. All die Jahre über hat es zwei Seiten deines Wesens gegeben, die sich an verschiedenen Wänden einander gegenüber kauerten. Diese Teile mußten wieder vereint werden.«
    »Zwei Teile…« Essian hielt inne und vergegenwärtigte sich, das eben Gehörte und wiederholte es immer und immer wieder. Zwei Teile. Eine Spaltung. Eine schreckliche Spaltung.
    »Diese zwei Teile sind das, was du immer unbarmherzig in Gruppen eingeteilt hast«, sagte sie. »Letztlich sind diese Gruppen künstliche Unterteilungen, und die Spaltung war für dich ausgesprochen schädlich. Männlich. Weiblich. Du bist ja fast verrückt geworden, weil du dich diesen Begriffen unterworfen hast; weil die flüchtigen Einblicke in dich selbst, die du ertragen konntest, die Empfindungen, Lieben und Vorlieben, Gefühle und Denkweisen zeigten, die du aufgrund deiner Definitionen nicht akzeptieren konntest. Ich habe gesagt, du seist ein männlicher Mann. Sieh mich an. Bin ich eine anziehende Frau?«
    Essian nahm ihre Hand und legte sie in seinen Schoß.
    »Siehst du«, sie lächelte, wurde aber gleich darauf wieder ernst. »Aber sexy und männlich zu sein ist nicht der springende Punkt. Wir zermartern uns unser Gehirn über die tiefere Bedeutung der Sexualität; wir werden schizophren; wir hassen, wir vergewaltigen, legal so gut wie illegal; wir prostituieren uns, wir richten Mauern um uns auf, wir machen uns Gedanken darüber, ob wir hinreichend männlich oder weiblich sind: wir haben Angst, daß wir irgendwo, tief in unserem Innern, verdreht sein könnten und all das nur, weil wir nicht begreifen, daß die Unterscheidungen, die Mauern, die wir in und zwischen uns aufgerichtet haben, künstliche sind, hassenswert. In uns allen liegt die ganze Skala menschlicher Liebe und menschlichen Verstehens. Teile es auf – mache Einschränkungen, welche Menschen du lieben kannst und wie du sie lieben kannst –, und du brutalisiert dich und die Gesellschaft. Entscheide dich, wer du nicht sein, wie du dich nicht verhalten, welche Gefühle du nicht haben oder ausdrücken, sogar welche Gedanken du nicht denken darfst, und du wirst zur Ratte, die sich in ihrem selbst geschaffenen Labyrinth verirrt.« Ihre Augen wurden feucht, sie weinte, aber das Gesicht blieb merkwürdig ruhig.
    »Was… warum…?«
    »Ich habe an Eric gedacht. Er hat dich sehr geliebt. Aber er hätte mich nicht lieben können, und ich bin auch du.«
    Essian schüttelte den
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