Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes
Autoren: Willis Connie
Vom Netzwerk:
Stelle, wo ich vom Esel fiel«, hörte Dunworthy sie sagen, als sie an einer Gabelung hielten. »Das war in der ersten Nacht. Ich war so krank, daß ich kaum bei Bewußtsein war. Ich hielt ihn für einen Halsabschneider.«
    Sie kamen zu einer weiteren Weggabelung. Der Schneefall hatte nachgelassen, aber die Wolken zogen dunkel und schwer über den Wald hin. Colin zeigte auf den rechts abzweigenden Weg und fuhr fort, Kivrin von seinen Abenteuern zu erzählen.
    »Mr. Dunworthy sagte: ›Sie haben die Fixierung verloren‹, und dann fiel er vornüber gegen Mr. Gilchrist, und beide gingen zu Boden. Mr. Gilchrist benahm sich, als ob Mr. Dunworthy es absichtlich getan hätte; er erlaubte nicht einmal, daß ich ihn zudeckte. Dabei zitterte er wie Espenlaub und hatte Fieber, und ich rief immer wieder: ›Mr. Dunworthy! Mr. Dunworthy!‹ aber er konnte mich nicht hören. Und Mr. Gilchrist sagte ständig: ›Ich mache Sie persönlich dafür verantwortlich.‹«
    Der Schneefall verstärkte sich wieder, und ein Wind kam auf. Dunworthy klammerte sich erschauernd an die steife Mähne des Esels.
    »Sie wollten mir überhaupt nichts sagen«, erzählte Colin, »und als ich hinein wollte, Großtante Mary zu sprechen, sagten sie: ›Kinder haben hier keinen Zutritt.‹«
    Sie ritten gegen den Wind. Die eisigen Böen bliesen ihm prickelnden Schnee ins Gesicht und fuhren durch seinen flatternden Umhang. Er beugte sich vornüber, bis er beinahe auf dem Hals des Esels lag.
    »Der Arzt kam heraus«, sagte Colin, »und fing an, mit der Schwester zu flüstern, und da wußte ich, daß sie tot war«, und Dunworthy ging es wie ein Stich durchs Herz, als ob er es zum ersten Mal hörte. Ach, Mary, dachte er.
    »Ich wußte nicht, was ich tun sollte«, sagte Colin, »also saß ich einfach da, und Mrs. Gaddson, diese absolut nekrotische Person, kam zu mir und fing an, aus der Bibel vorzulesen, daß es Gottes Wille sei, und so weiter. Ich hasse Mrs. Gaddson«, sagte er heftig. »Sie ist es, die verdiente, an der Influenza zu krepieren!«
    Ihre Stimmen begannen in Dunworthys Ohren zu klingen und seltsam hallende Obertöne anzunehmen, so daß er sie kaum noch hätte verstehen dürfen, doch seltsamerweise erklangen sie in der kalten Luft klarer und klarer, und er dachte, daß man sie bis nach Oxford hören müsse, siebenhundert Jahre entfernt.
    Auf einmal kam ihm der Gedanke, daß Mary nicht tot sei, daß sie hier in diesem fürchterlichen Jahr, in diesem Jahrhundert, das schlimmer war als eine Zehn, noch nicht gestorben war, und es schien ihm ein Segen zu sein, der alles überstieg, was zu erwarten er berechtigt war.
    »Und das war, als wir die Glocke hörten«, sagte Colin. »Mr. Dunworthy sagte sofort, es sei ein Hilferuf von Ihnen.«
    »Das war es auch«, sagte Kivrin. »So geht es nicht. Er wird herunterfallen.«
    »Sie haben recht«, sagte Colin, und Dunworthy begriff, daß sie abgestiegen waren und neben dem Esel standen. Kivrin hielt das aus Stricken zusammengeknüpfte Zaumzeug.
    »Wir müssen Sie auf das Pferd bringen«, sagte sie, eine Hand an Dunworthys Seite. »Sie fallen sonst vom Esel. Kommen Sie, steigen Sie ab. Ich helfe Ihnen.«
    Sie mußten ihm gemeinsam hinunterhelfen, und er mußte es geschehen lassen, obwohl er wußte, daß es Kivrin Schmerzen bereitete.
    »Wenn ich mich bloß einen Moment niedersetzen könnte«, sagte Dunworthy durch schnatternde Zähne.
    »Wir haben nicht genug Zeit«, sagte Colin, aber sie stützten ihm zum Wegrand und ließen ihn an einem Stein nieder.
    Kivrin suchte unter ihrem Wams und brachte drei Aspirintabletten zum Vorschein. »Hier, nehmen Sie die«, sagte sie und hielt sie ihm auf der offenen Handfläche hin.
    »Die waren für Sie«, sagte er. »Ihre Rippen…«
    Sie sah ihn ruhig an, ohne zu lächeln. »Ich komme schon zurecht«, sagte sie und ging, den Hengst an einen Strauch zu binden.
    »Möchten Sie etwas Wasser?« fragte Colin. »Ich könnte Feuer machen und etwas Schnee schmelzen.«
    »Es geht schon«, sagte Dunworthy. Er stopfte eine Handvoll Schnee in den Mund, wartete, bis er geschmolzen war, nahm die drei Aspirin dazu und schluckte sie hinunter.
    Kivrin verlängerte die Steigbügel mit geübter Geschicklichkeit, knotete die Lederriemen neu und kam zu Dunworthy, um ihm aufzuhelfen. Sie schob ihm die Hand unter den Arm. »Fertig?«
    »Ja.« Dunworthy versuchte aufzustehen.
    »Das war ein Fehler«, meinte Colin nach dem ersten mißglückten Versuch. »Wir werden ihn nie hinaufbringen.« Aber dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher