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Die Jagd am Nil

Die Jagd am Nil

Titel: Die Jagd am Nil
Autoren: Will Adams
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schwer zu erkennen war. Zeit zum Aufbruch. Doch die Aussicht erschreckte ihn. Er war viel zu alt für solche Abenteuer, zu alt, um noch einmal von vorn zu beginnen. Sein gesamtes Leben hatte er nach Ruhe und Frieden gestrebt, um Texte zu studieren und mehr über die Welt zu erfahren. Aber das war ihm nun versagt durch diese prahlerischen, grausamen Tyrannen, für die es schon eine Sünde war zu denken. Man konnte ihnen an den Augen ablesen, mit welchem Genuss sie rücksichtslos ihre Macht ausübten. Sie schwelgten in ihren Schandtaten. Sie hoben ihre Hände gen Himmel, als wäre das Blut an ihnen ein Zeichen von Tugend.
    Er reiste mit leichtem Gepäck und führte nur die Gewänder, die er trug, einen kleinen Sack mit Proviant und ein paar Münzen in seinem Geldbeutel mit sich. Doch er war noch keine zehnMinuten unterwegs, als er über dem vor ihm liegenden Gebirgskamm ein Glimmen sah. In Gedanken versunken, achtete er zuerst nicht weiter darauf. Dann aber wurde ihm klar, dass es Fackeln waren. Sie näherten sich vom Hafen. Als sich die Windrichtung änderte, hörte er sie auch. Krakeelende und singende Männer und Frauen in freudiger Erwartung einer weiteren Hinrichtung.
    Mit pochendem Herzen eilte er den Weg zurück, den er gekommen war. Die Siedlung seiner Gemeinde lag auf einem sanften Hügel, von dem aus man den See überblicken konnte. Als er die Anhöhe erreichte, sah er auf allen Seiten das Glimmen wie einen gerade entzündeten Scheiterhaufen, dessen Flammen am Zunder emporkrochen. Zu seiner Rechten ein Schrei. Ein Dach loderte auf. Dann ein zweites und ein drittes. Ihre Häuser! Ihre Leben! Der Tumult wurde lauter und kam näher. Dieses hasserfüllte Gebrüll. Diese Menschen erfreuten sich an ihren Untaten. Er lief umher und suchte nach einem Fluchtweg, doch wohin er sich auch wandte, überall zwangen ihn die Fackeln zurück.
    Dann der Aufschrei: Man hatte ihn gesehen. Er drehte sich um und floh, aber seine alten Beine verwehrten ihm den Dienst. Dabei wusste er genau, was ihm bei einer Gefangennahme drohte. Schon hatten sie ihn umzingelt, mit Mordlust in den Augen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich mit Würde und Mut zu ergeben und vielleicht so an ihr Mitgefühl zu appellieren. Und wenn nicht, dann würden sie vielleicht am nächsten Morgen mit solchem Entsetzen und Abscheu auf ihr Werk dieser Nacht zurückblicken, dass es anderen erspart bliebe.
    So hätte er am Ende noch etwas Gutes getan.
    Auf dem felsigen Boden sank er auf die Knie, er zitterte am ganzen Leib. Tränen strömten ihm über die Wangen. Dann begann er zu beten.

Kapitel 1
    I
    Bab-Sedra-Straße, Alexandria
    Daniel Knox schlenderte gerade die Sharia Bab Sedra Richtung Norden entlang, als er die Tonschale auf der Decke eines Straßenhändlers sah. Sie war mit Streichholzschachteln und Packungen weißer Servietten gefüllt und diente als Stütze für eine Reihe zerlesener arabischer Schulbücher. Sein Herz machte einen kleinen Sprung, er war sich sicher, diese Schale schon einmal gesehen zu haben. An einem interessanten Ort zudem. Für einen Augenblick schien die Antwort zum Greifen nah, doch dann entzog sie sich ihm, und das Gefühl verblasste, bis er glaubte, seine Erinnerung hätte ihn getäuscht.
    Er blieb stehen, bückte sich und nahm erst eine kitschige Plastikvase mit gelben Kunstblumen, dann ein zerfetztes Geographielehrbuch, aus dem sofort alle Seiten herausfielen, sodass sich veraltete Karten der ägyptischen Topographie und Demographie über die Decke ausbreiteten wie ein von Magierhänden verteiltes Kartenspiel.
    «Salaam aleikum»,
grüßte ihn der Händler. Er konnte kaum älter als fünfzehn Jahre sein und wirkte durch seine mindestens zwei Nummern zu große Konfektionskleidung noch jünger.
    «Wa aleikum es salaam»,
antwortete Knox.
    «Gefällt Ihnen das Buch, Mister? Wollen Sie kaufen?»
    Knox zuckte mit den Achseln, legte es zurück und warf einen uninteressierten Blick auf die Waren. Aber der Händler lächeltenur und zeigte seine schiefen Zähne. Er war kein Dummkopf. Knox musste grinsen und berührte vorsichtig die Tonschale. «Was ist das?», fragte er.
    «Sir hat gutes Auge», sagte der Händler. «Eine wunderbare Antiquität aus der reichen Geschichte Alexandrias. Die Früchteschale von Alexander dem Großen höchstpersönlich! Ja, von Alexander dem Großen! Das ist keine Lüge.»
    «Von Alexander dem Großen?», wiederholte Knox skeptisch. «Mit Sicherheit nicht.»
    «Keine Lüge», beharrte der junge Mann.
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