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Die Jagd am Nil

Die Jagd am Nil

Titel: Die Jagd am Nil
Autoren: Will Adams
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setzt die Leichenstarre ein?»
    «Kommt drauf an», sagte der Gerichtsmediziner. «Sie setzt umso schneller ein, je heißer es ist, allerdings löst sie sich dann auch schneller. Und wenn das Mädchen vorher gelaufen ist oder gekämpft hat, wurde der Prozess noch beschleunigt.»
    Naguib holte tief Luft, um seine Ungeduld zu unterdrücken. «Schätzungsweise.»
    «Die Schultern gehören zur letzten Muskelgruppe, in der die Leichenstarre einsetzt. Sie beginnt etwa drei Stunden nach Eintritt des Todes und breitet sich innerhalb eines Tages über den gesamten Körper aus. Danach   …» Er schüttelte den Kopf. «Sie kann sechs Stunden, aber auch bis zu zwei Tage anhalten, ehe sie sich wieder löst.»
    «Aber sie setzt nach mindestens drei Stunden ein, ja?»
    «Normalerweise. Aber es gibt Ausnahmen.»
    «Es gibt immer Ausnahmen.»
    «Ja.» Der Gerichtsmediziner zog vorsichtig an den zerbrechlichen Gliedern einer Halskette, an der ein silbernes Amulett hing. Ein koptisches Kreuz. Er warf Naguib einen Blick zu. Die beiden Männer schienen den gleichen Gedanken zu haben. Noch ein totes koptisches Mädchen. Das hatte der Region gerade noch gefehlt.
    «Ein recht schönes Stück», murmelte der Gerichtsmediziner.
    «Ja», stimmte Naguib zu. Und es sprach gegen einen Raubmord. Der Gerichtsmediziner lüftete das Kleid des Mädchens. Ihre Unterwäsche war zwar in einem schlechten Zustand, aber unangetastet. Für ein Sexualverbrechen gab es kein Anzeichen. Im Grunde gab es für keinerlei Art von Verbrechen ein Anzeichen, außer natürlich, dass der Schädel eingeschlagen war. «Irgendwelche Hinweise, wie lange sie schon hier liegt?», fragte Naguib.
    Der Gerichtsmediziner zuckte mit den Achseln. «Da müsste ich schätzen. Ich muss sie erst genauer untersuchen.»
    Naguib nickte. Das war verständlich. Bei einer in der Wüste gefundenen Leiche konnte man den Todeszeitpunkt nur schwer bestimmen. Hier draußen sahen sie alle gleich aus, egal, ob sie einen Monat, ein Jahr oder eine Ewigkeit dagelegen hatten. «Und die Todesursache? Der Schlag auf den Kopf, oder?»
    «Kann ich noch nicht sagen.»
    Naguib verzog sein Gesicht. «Kommen Sie. Ich werde Sie nicht darauf festnageln.»
    «Das sagt jeder. Und dann tut er es doch.»
    «Okay. Wenn es nicht der Schlag auf den Kopf war, ist dann vielleicht das Genick gebrochen?»
    Der Gerichtsmediziner trommelte mit dem Daumen gegensein Knie, während er mit sich rang, ob er etwas sagen oder besser den Mund halten sollte. «Wollen Sie wirklich wissen, was ich vermute?», fragte er schließlich.
    «Ja.»
    «Es wird Ihnen nicht gefallen.»
    «Lassen Sie sich überraschen.»
    Der Gerichtsmediziner stand auf. Die Hände in die Hüfte gestemmt, schaute er über den trockenen, vor Hitze flimmernden Sand der Arabischen Wüste, die sich, so weit das Auge reichte, ausbreitete und nur durch die zerklüfteten Felsen von Amarna durchbrochen wurde. «Na schön», meinte er lächelnd, als wäre er sich bewusst, dass sich ihm solche Gelegenheiten nicht oft boten. «Ich vermute eher, dass sie ertrunken ist.»

III
    Knox traf Omar Tawfiq auf dem Boden seines Büros kniend an, das Gehäuse und die Innereien eines Computers vor sich ausgebreitet, einen Schraubenzieher in der Hand und einen Schmutzfleck auf der Wange. «Haben Sie nicht schon genug zu tun?», fragte er.
    «Unsere Techniker können erst morgen kommen.»
    «Dann stellen Sie neue ein.»
    «Die werden mehr Geld wollen.»
    «Ja. Weil sie kommen würden, wenn man sie braucht.»
    Omar zuckte mit den Achseln, als sähe er ein, dass es stimmte, dennoch bezweifelte Knox, dass er etwas unternehmen würde. Der junge Mann, der noch jünger aussah, als er tatsächlich war, war erst vor kurzem zum Interimsleiter der staatlichen Antiquitätenbehörde in Alexandria befördert worden. Allerdings war eskein Geheimnis, dass er den Posten nur bekommen hatte, weil Yusuf Abbas, der Generalsekretär in Kairo, jemanden haben wollte, den er beeinflussen und schnell wieder loswerden konnte, bis er einem von seinen ergebenen Mitarbeitern die ständige Leitung zugeschanzt hatte. Selbst Omar wusste das, es hatte ihm jedoch an Selbstvertrauen gemangelt, um die Stelle abzulehnen. Und so versteckte er sich die meiste Zeit vor der verunsicherten Belegschaft in seinem alten Büro und kümmerte sich um unverfängliche Aufgaben wie diese. Er stand auf und wischte sich die Hände ab. «Und was kann ich für Sie tun, mein Freund?»
    Knox zögerte. «Ich habe auf dem Markt eine alte Schale
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