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Die Jaegerin

Die Jaegerin

Titel: Die Jaegerin
Autoren: Brigitte Melzer
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rasch verflog, als eine Welle von Schwindel sie erfasste. Die Kirche drehte sich vor ihren Augen und sie musste einige Male blinzeln, ehe es vorüberging. Behutsam lehnte sie sich neben Lucian an die Wand. »Ist es wirklich wahr?«, fragte sie, um sich von ihrer Benommenheit abzulenken. »Ist der Unendliche tatsächlich vernichtet?«
    »Ja, das ist er«, sagte er tonlos.
    Zum ersten Mal fragte sie sich, wie er sich dabei fühlte. Der Unendliche mochte ein Monster gewesen sein, trotzdem war er Lucians Bruder gewesen. Hör auf, dich seinetwegen zu grämen! Er ist noch immer ein Vampyr! Sie rückte ein Stück von ihm ab in der Hoffnung, der Abstand würde dafür sorgen, dass sie nicht länger den Menschen in ihm sah. Aber es half nichts. Sie hatte gesehen, wie er zur Kreatur geworden war, und doch fand sie es nicht annähernd so abstoßend und erschreckend, wie es sein sollte. Er hatte die Kreatur entfesselt, um sie zu beschützen, nicht um jemandem zu schaden. Mit einem Mal erschien ihr die Stille zwischen ihnen drückend, doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Wusste nicht, wie sie in Worte fassen konnte, was sie beschäftigte. Während sie noch mit sich rang, setzte Lucian sich plötzlich auf und lauschte.
    »Was ist?«, wollte sie wissen.
    »Da kommt jemand.« Er erhob sich und half Alexandra auf die Beine. »Ich glaube, es sind ihre Jäger-Freunde.«
    Einen Augenblick später hörte sie es auch. Gavril, der ihren Namen rief. »Sie müssen weg!«
    Lucians Blick fiel auf das Kreuz, das nicht weit entfernt auf dem Boden lag, und kehrte dann zu ihr zurück. »Sie wollen mich nicht vernichten?«
    Ich sollte es tun. »Bei unserer ersten Begegnung sagten Sie, Sie hätten mich in Ihren Träumen gesehen. Was genau haben Sie gesehen?«
    »Vielleicht, dass Sie meinem Bruder ein Ende bereiten würden.« Er zuckte die Schultern. »Vielleicht auch, dass Sie meine Seelengefährtin sind. Die Wahrheit erzähle ich Ihnen, wenn wir uns ein wenig besser kennen.« Dann breitete sich plötzlich ein erschreckend einnehmendes Lächeln über seine Züge. »Ich kann es kaum erwarten, Sie wiederzusehen.«
    »Wünschen Sie sich das lieber nicht«, schnappte sie, von seinen Worten über Seelengefährten aus dem Gleichgewicht gebracht. »Wenn wir uns das nächste Mal gegenüberstehen, werde ich Sie womöglich töten. Ich will Ihr Wort, dass Sie nie wieder in meine Nähe kommen!« Versprich es mir!
    »Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann.«
    Erneut erklang Gavrils Stimme, diesmal viel näher. Noch immer rief er nach ihr. Lucian wandte sich ab, bereit die Kirche durch dieselbe Tür zu verlassen, durch die sein Bruder sie zuvor betreten hatte.
    »Was haben Sie vor?«, rief Alexandra erschrocken.
    »Ich gehe. Ist es nicht das, was Sie wollten?«
    »Natürlich«, sagte sie hastig. »Aber sie können nicht dort hinaus! Die Sonne scheint! Sie würden –«
    »Verbrennen?« Er schüttelte den Kopf. »Die Sonne brennt auf meiner Haut, und das schmerzt höllisch, doch sie bringt mich vermutlich nicht um – zumindest nicht, wenn ich mich ihr nur für kurze Zeit aussetze und schnell Abstand zwischen das Kreuz und mich bringe. Ich nehme an, das ist besser, als mich im Keller zu verstecken, wo mich ihre Kameraden jederzeit finden können.«
    Sie wollte ihm sagen, dass er genau das tun möge – sich im Keller verstecken. Dann jedoch dachte sie an das Schwarze Kreuz. Lucian sollte den Jägern keinesfalls in der Nähe des Kreuzes begegnen. Schließlich nickte sie. »Gehen Sie!«
    Einen Moment noch stand er unentschlossen da und sah sie an, dann wandte er sich ab und ging zur Tür. »Es gibt da noch etwas, was Sie wissen sollten«, sagte er und drehte sich noch einmal zu ihr um. »Es ist wahr, in einem gewissen Rahmen kann ich die Gefühle eines Menschen beeinflussen. Wie Andrej auch kann ich mir andere mit einem Blick gefügig machen. Allerdings habe ich das bei Ihnen niemals getan.« Mit einem Grinsen stieß er die Tür auf und verschwand im Sonnenlicht.
    Alexandra stand wie gelähmt da und starrte ihm hinterher. Niemals angewandt? Was sollte das heißen? Das würde ja bedeuten, dass … »Nein!« Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Ganz sicher nicht!«
    »Alexandra!«
    Gavrils Ruf ließ sie herumfahren. Er war durch die Seitenpforte hereingekommen und bahnte sich jetzt seinen Weg zwischen zertrümmerten Bankreihen hindurch auf sie zu.
    »Wo sind die anderen?« Ihr stand eigentlich nicht der Sinn nach einer Unterhaltung, doch sie wollte
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