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Die Jaegerin

Die Jaegerin

Titel: Die Jaegerin
Autoren: Brigitte Melzer
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auseinander. Als striche der Atem der Zeit in rasender Geschwindigkeit über sie hinweg, begannen die Konturen auszufransen und zerfielen langsam zu Staub. Eine Brise fuhr durch die Fenster herein, nahm die Überreste des Unendlichen auf und trug sie davon.
    Noch während Alexandras Augen nach Lucian suchten, verließen sie ihre Kräfte endgültig. Sie sank zu Boden und ließ sich von der Dunkelheit fortreißen.

19
    Catherine zog sich tiefer in die Schatten zurück. Wo ein Mensch nur Schwärze hätte erkennen können, eröffneten ihr ihre außergewöhnlichen Sinne den Blick auf die unterschiedlichsten Abstufungen von Grau. Entgegen ihrer Hoffnung, unter der Treppe einen Zugang zu einem Keller zu finden, schälten sich vor ihr die Umrisse einer Abstellkammer aus der Finsternis. Ihre Augen wanderten über die Wände und folgten den Schatten bis in die mit Gerümpel vollgestopften Ecken. Von draußen wurden Rufe laut, zu dumpf, als dass sie die Worte hätte verstehen können. Schritte polterten über die Galerie, dann krachte ein Schuss. Catherine zuckte zusammen und erstarrte, als sie etwas anderes hörte, gedämpft und dennoch weitaus näher als die Geräusche, die von oben an ihr Ohr drangen. Jemand schlich sich an ihr Versteck heran! Hastig sah sie sich nach einer Waffe um – irgendetwas, womit sie sich verteidigen konnte. Ihre Augen suchten das Gerümpel ab, streiften über alte Möbelstücke und Holzbohlen, bis ihr Blick an einem Stapel Holzscheiten hängen blieb. Hinter ihr wurde die Tür aufgerissen. Catherine packte ein Scheit und fuhr herum. Zähes Licht quoll in den Raum und legte sich wie ein dünner Schleier über die Silhouette des Jägers. Das Erste, was sie deutlich zu erfassen vermochte, war die Pistole in seiner Hand, deren Lauf ins Innere der Kammer tastete. Sie sprang ihm entgegen und schlug ihm die Waffe mit solcher Wucht aus der Hand, dass sie weit über den Boden schlitterte. Überrascht wankte der Jäger einen Schritt zurück, fing sich aber sofort wieder und schnellte vor. Catherine versuchte auszuweichen, doch er bekam sie beim Arm zu fassen. Mit einem Ruck riss er sie herum. Seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk und entwanden ihr den Knüppel. Polternd fiel das Holzscheit zu Boden. Catherine trat nach ihm, doch er hielt sie auf Distanz, sodass ihre Tritte ihn nicht erreichten. Ihre Schläge verpufften wirkungslos an seinem Arm und seiner Schulter. Sie war ein Vampyr! Wie konnte sie so schwach sein! Es gibt einen Weg, wie ich ihn bekämpfen kann! Sie brauchte nur die Kreatur, die sie in sich trug, zu entfesseln. So wie Daeron es zuvor getan hatte. Die Klauen würden ihr den Jäger vom Hals halten. Catherine wusste, dass die Bestie ihre einzige Hoffnung war, dennoch wagte sie es nicht. Zu groß war ihre Furcht, die Kontrolle zu verlieren. Kampflos jedoch wollte sie nicht untergehen. Sie holte zu einem weiteren Schlag aus. Da zog der Jäger sie hinter sich her, aus der Kammer hinaus. Catherine stemmte sich gegen ihn, versuchte sich am Türstock festzuhalten und sich dem Griff zu entwinden, der gnadenlos an ihr zerrte. Ihre Finger rutschten ab. Sie wollte den Türrahmen fester packen, da riss der Jäger mit einem heftigen Ruck an ihrem Arm. Von seinem Schwung getragen stürzte sie in die Eingangshalle und fiel schlitternd auf die Knie. Sofort war er wieder über ihr, packte sie erneut und zog sie hoch.
    Oben auf der Galerie brüllte Daeron ihren Namen. Catherine hob den Kopf, doch ehe sie einen Blick auf ihn erhaschen konnte, schob der Jäger sie vor sich her. Fort von der Pistole, die hinter ihm in der Halle lag. Als sie den Kopf wandte, begriff sie, was er vorhatte. Doch da war es bereits zu spät. Ein harter Stoß in den Rücken ließ sie vorwärtstaumeln. Sie stolperte durch das Eingangsportal ins Freie. Auf den Stufen verlor sie das Gleichgewicht und fiel auf den Hof, wo sie im gnadenlosen Schein der Morgensonne liegen blieb.
     
    *
     
    »Catherine!«
    Als Daeron sah, wie sie auf den Hof hinausstürzte, warf er sich mit voller Wucht gegen Mihail. Der drahtige Jäger verlor unter seinem Angriff das Gleichgewicht und geriet ins Stolpern. Er taumelte zurück, bis zum Rande der Treppen. Einen Moment lang sah es so aus, als könne er sich wieder fangen. Dann jedoch rutschte sein Fuß von der obersten Stufe und er verlor den Halt. Noch im Fallen packte er Daeron am Rocksaum und riss ihn mit sich. Polternd stürzten die beiden die Treppen hinunter. Daeron vernahm ein trockenes Knacken,
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