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Die Jaegerin

Die Jaegerin

Titel: Die Jaegerin
Autoren: Brigitte Melzer
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sie angriffen, doch sie liefen an Catherine und ihm vorbei, ohne sie mehr als eines kurzen Blickes zu würdigen. Sie rannten die Auffahrt hinunter und waren bald darauf verschwunden.
    »Dein Bein … hast du große Schmerzen?«
    Er sah auf. Catherine kniete vor ihm und betrachtete besorgt das Blut, das sein Hosenbein immer mehr tränkte. Der Schmerz war nichts gegen die Freude, am Leben zu sein. Er schüttelte den Kopf. Da streckte Catherine eine Hand nach ihm aus. Zögernd tauchte sie ihre Finger in das Blut und hob die Hand an ihr Gesicht. Ihre Finger zitterten. Anspannung zeichnete ihre Züge, als sie vorsichtig daran roch. Dann entspannte sie sich schlagartig. »Nichts. Es passiert nichts! Ich kann es riechen, ohne … Sag mir, dass das kein Traum ist!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie streckte die Arme in die Sonne und betrachtete ungläubig ihre unversehrte Haut. »Ist das wirklich wahr? Ist es vorüber?«
    Daeron zupfte sich eine Scherbe aus den Falten seines Hemdes, drückte die scharfe Kante gegen seinen Arm und zog den Splitter über die Haut. Ein blutiger Schnitt erblühte – und blieb. »Ich glaube, das ist es.« Er hatte Mühe, die Worte über die Lippen zu bringen. Sein Mund war trocken und seine Zunge klebte an seinem Gaumen. »Die Jägerin hat es geschafft!«
    Unbändiger Jubel stieg in ihm auf, ein Gefühl, als müsse er jeden Augenblick vor Glück vergehen. Er zog Catherine in seine Arme und küsste sie lang und leidenschaftlich. Als er sie endlich freigab, waren sie beide außer Atem. Niemals hatten sich Atemlosigkeit und Schmerz derart gut und lebendig angefühlt wie in diesem Moment. »Komm mit mir nach Hause, Catherine. Zurück nach Gwydeon House.«

20
    Es fühlte sich an, als hätte jemand die Welt in ein dickes Tuch gepackt. Zumindest verspürte Alexandra kaum Schmerzen. Ebenso wenig vermochte sie dem dumpfen Summen, das auf sie eindrang, einen Sinn abzuringen. Waren das Worte? Warum konnte sie sie dann nicht verstehen? Da war eine Berührung an ihrer Schulter. Sie wollte die Augen öffnen und sehen, was vor sich ging, doch ihre Lider waren so schwer, als hätte jemand Gewichte daraufgelegt. Kühle Finger strichen über ihre Stirn. Irgendwie gelang es ihr nun doch, die nötige Kraft aufzubringen, um die Augen zu öffnen. Sie blickte in vertraute Züge und ein Paar durchdringender blauer Augen, das sie besorgt musterte. Zum ersten Mal ließ Lucians Anblick sie nicht erschrecken. Dafür war sie einfach zu müde. Ganz allmählich nahm sie weitere Details wahr. Die Nebelsäule hatte sich aufgelöst. Sonnenlicht durchflutete die Kirche und badete sie in goldenem Schein, ohne dabei Alexandra und Lucian zu erreichen. Er hatte sie vom Altar fort zur Wand getragen. Dort, wo die Sonnenstrahlen sie nicht zu berühren vermochten, hatte er sich hingesetzt und sie in seine Arme gezogen.
    Als sie ihn jetzt ansah, lächelte er. »Sie haben mir einen gehörigen Schrecken eingejagt«, sagte er leise. »Sind Sie verletzt?«
    Wie oft hat er mich das heute schon gefragt? Zu müde für eine Antwort schüttelte sie nur den Kopf und schloss die Augen. Sie wollte ihn fragen, ob es ihm gut ging, doch sie war schon wieder im Begriff, erneut wegzudämmern. Zumindest auf den ersten Blick scheint ihm nichts zu fehlen , beruhigte sie sich selbst. Plötzlich veränderte sich sein Griff. Alexandra spürte, wie er sie vorsichtig zu Boden gleiten ließ. Dann war da eine Berührung, erst an ihrem Gesicht, dann an ihrem Hals, ihren Armen und Beinen. Suchte er nach Verletzungen? Sie wollte ihn fragen, was er tat, doch ehe sie die Frage überhaupt im Geiste formulieren konnte, zog er sie erneut in seine Arme.
    »Alexandra?«, flüsterte er. »Können Sie mich hören?«
    Sie konnte. Aber sie brachte nicht die Energie auf, ihm zu antworten.
    Er strich sanft über ihre Wange. »Ich dachte wirklich, er bringt dich um«, sagte er mit belegter Stimme. »Das hätte ich mir niemals verziehen.« Er sagte noch mehr, doch Alexandra war nicht länger imstande seinen Worten zu folgen. Die Müdigkeit zerrte wieder an ihr und zog sie mit sich. Langsam glitt sie tiefer in den Schlaf.
    Als sie später die Augen öffnete, lag sie noch immer in Lucians Armen. Da sie sich ein wenig besser fühlte, setzte sie sich auf.
    »Langsam!« Lucian stützte sie. »Ich will nicht, dass Sie mir gleich wieder zusammenklappen!«
    Sie verspürte einen leisen Anflug von Bedauern darüber, dass er zum förmlichen »Sie« zurückgekehrt war, das jedoch
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