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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht
Autoren: Andrew Fukuda
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heller, ein Hauch von Grau durchdringt das Schwarz. Nach und nach geben sie auf, zunächst nur einige wenige, doch dann kehren sie unter minutenlangem einstimmigem Geheul um. Voller Wut über ihre nicht befriedigte Lust sprinten sie zurück. Zurück zum Institut und der klösterlichen Dunkelheit seiner Gemäuer.
    Wir beschließen, tagsüber schichtweise zu arbeiten: zwei Mann an den Pfählen, einer als Wache. Wenn wir keinen Dienst haben, schlafen wir – jedenfalls theoretisch – in der Kabine, einer Art Holzschuppen, der an der Vorderseite offen ist.
    Sie lassen mir die erste Freischicht, aber ich bin zu aufgedreht, um zu schlafen. Ich verbringe meine Zeit damit, mein Hemd in den Fluss zu tauchen und das Pferd darauf kauen zu lassen, damit es Flüssigkeit aufnehmen kann. Wie die anderen lasse ich meinen Blick auf der Suche nach einer Bewegung immer wieder über das Weite schweifen, obwohl ich weiß, dass die helle Sonne Schutz genug ist. Eine Stunde später werden meine Beine schließlich müde und ich lege mich in der Kabine hin. Schlaf flattert herein und heraus wie ein Schmetterling mit nur einem Flügel, leicht und ungleichmäßig.
    Aber als ich aufwache, ist es später Nachmittag. Sie haben mich zwei Schichten durchschlafen lassen. Neben mir schnarchen Ben und Epap, Ben murmelt zusammenhanglos. Sissy steht am Bug und hält Wache. Ich trete neben sie.
    »Heute Nacht kommen sie zurück«, sagt sie.
    Ich nicke. »Und morgen Nacht. Und übermorgen Nacht vielleicht auch.«
    Sie wischt sich mit dem Arm über die Nase. »Wir können nur hoffen, dass der Fluss weitergeht. Wenn er heute oder morgen endet …«
    Sie muss den Satz nicht beenden.
    Wir schweigen eine Zeit lang.
    »Werden sie je aufhören, uns zu verfolgen?«
    »Nein.« Ich starre zu den Bergen im Osten. »Solange sie wissen, dass wir hier sind, werden sie kommen. Sie werden niemals aufgeben. Sie werden auf halber Strecke Schutzräume vor dem Tageslicht errichten, Etappenposten, um sich langsam zu uns vorzuarbeiten.«
    Sie trinkt einen Schluck aus ihrem Becher und blickt auf die Ebene. »Am Tag können wir anlegen«, sagt sie, »um Nahrung zu besorgen. Wenn wir Wild sehen, können wir es jagen. Wir brauchen etwas zu essen.«
    »Haben wir noch Waffen?«
    »David hat einen Speer mitgenommen. Ich habe meine Dolche. Das ist alles.«
    »Für mehr hatten wir keine Zeit«, sage ich.
    »Wir hätten es besser machen können. Ich hätte es besser machen können. Ich habe überhaupt nichts mitgenommen. Epap hat wenigstens das Notizbuch des Forschers eingepackt. Und Jacob hat Epaps Tasche mitgebracht. Viel ist nicht drin, nur ein paar Kleider und sein Skizzenblock. Aber er hat wenigstens irgendwas geborgen.«
    »Es war ziemlich chaotisch«, sage ich leise. »Es blieb überhaupt keine Zeit.«
    Die Wellen schwappen gegen den Rumpf des Bootes, ein rhythmisches Klopfen. Sie starrt zu Boden und scharrt mit den Füßen. »Danke, dass du zurückgelaufen bist, um Ben zu holen«, sagt sie und geht zum Heck des Bootes.
    Und als sich die Nacht herabsenkt, kommen sie wieder, in noch größerer Zahl, heißhungrig und von einem Hass erfüllt, den ich nicht für möglich gehalten hätte. Horden von ihnen drängen sich an den Ufern und der Fluss wird zu einem gespenstischen Halbtunnel der Folter. Wir sind die ganze Nacht wach, aufmerksam und ängstlich. Ich mache mir Sorgen, dass der Fluss sich verengen oder gar enden könnte. Aber das tut er nicht, jedenfalls nicht in dieser Nacht. Und als der Mond sinkt und der Himmel heller wird, verstummen die Schreie. Einer nach dem anderen machen sie kehrt, die Letzten mit einem kollektiven Aufschrei.
    Die Sonne geht auf und über Nacht hat sich die Landschaft verändert. In das Braun des endlosen Wüstensands mischt sich jetzt das Grün vereinzelter Gräser. Bis zum Mittag ist daraus eine üppige Weide geworden, gesprenkelt mit Narzissen und Rhododendron, dazwischen Haine mit großen Bäumen. Und sogar ein oder zwei Präriehunde werden gesichtet. Wir legen an. Das Pferd ist überaus dankbar für die Abwechslung und springt so schnell auf die grüne Weide, dass wir schon denken, wir sehen es nie wieder. Aber es hat bloß Hunger und bleibt kauend die ganze Zeit in unserer Nähe. Als wir eine Stunde später aufbrechen, alle erpicht, unseren Vorsprung auszubauen, wiehert es und trottet trotz aller Verlockungen des Landes mit uns zurück an Bord.
    Sie kommen erst etliche Stunden nach Anbruch der Dämmerung, weil sie immer länger brauchen, um
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