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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn
Autoren: Ben Fountain
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empfunden.«
    Billy zieht sie an sich, ihr Kopf sinkt auf seine Brust. »Ich auch nicht«, murmelt er, und sein Timbre vibriert durch beide Körper. »Mensch, Mädchen, mit dir könnt ich glatt abhauen.«
    Sie hebt den Kopf, und er sieht an diesem einen Blick, dass es nicht sein soll. Ihre Verwirrtheit hat das entschieden, das besorgte Flackern in ihren Augen. Was redet er denn da? Die Angst, sie zu verlieren, bindet ihn fest an den Helden, der er zu sein hat.
    Sie legt ihm die Hand auf die Wange. »Baby, wir müssen nicht irgendwohin abhauen. Du machst einfach, dass du wieder nach Hause kommst, und dann haben wir’s schön hier.«
    Er leistet keinen Widerstand, es gibt einfach zu viel zu verlieren. Er wird das größere Risiko sausen lassen zugunsten des kleineren, selbst wenn er beim kleineren – ist das nicht zum Brüllen komisch ! – getötet werden könnte. Er gräbt sein Gesicht in ihreHaare und holt tief Luft, er will für alle Zeiten genug von ihrem Geruch speichern.
    JOH BRAAAAVOOOOOO dröhnt es über die Plaza, Sergeant Dimes Appellgebell. AAA-HAAB-MAAAARSCH! LOS GEEEEHT’S!
    »Ich muss«, flüstert Billy. Faison stöhnt auf, und noch einmal versinken sie in einen blutergussträchtigen Kuss. Der Versuch, sich voneinander zu lösen, wird kurz gewalttätig – sie grapschen nacheinander, zerren und knuffen an Kleidern und Körperteilen herum, durchglüht von einer irren Rage, die sie nicht unter Kontrolle kriegen. Plötzlich sackt Faisons Gesicht in sich zusammen, und sie drückt sich fast in Billy hinein.
    BRAAAVOOOOO! LOS!
    Er küsst sie auf den Mund und löst sich von ihr, und es fühlt sich an wie das Letzte, was er im Leben tun wird. »Sei vorsichtig!«, ruft sie hinter ihm her, und er reckt die Faust zur Bestätigung. »Ich bete für dich!«, ruft sie, noch lauter, und das nimmt ihm die letzte Hoffnung. Er stirbt hier gerade, er stirbt, und bei dem Ding ist Gehen auch fast unmöglich, der steinharte Riemen da, sein jungfräuliches Glied ist wie eine Flagge, die partout nicht auf Halbmast will. Er haut drauf, mit dem Handgelenk, mit dem Handrücken, er will diese Kreatur niederzwingen, ohne dass die ganze Welt das mitkriegt, aber jetzt, oh Scheiße, da kommen sie wieder, sieben, acht Fans, die ihre Programmhefte signiert haben wollen. So dankbar , sagen sie. So stolz. Wahnsinn. Fantastisch. Es dauert nur ein paar Minuten, aber während er seinen Namen kritzelt, dämmert Billy, dass diese lächelnden, unbedarften Bürger immer richtig gelegen hatten. Er hat sich zwei Wochen lang überlegen und schlau gefühlt, weil er so vieles vom Krieg weiß, aber das kann man alles vergessen, was wirklich zählt, sind die hier, diese Einfaltspinsel, diese Unschuldslämmer, deren Traum von Heimat ist die herrschende Macht. Seine Wirklichkeit istdie Nutte von deren Wirklichkeit; das, was sie nicht wissen, ist viel mächtiger als alles, was er weiß, aber er hat doch erlebt, was er erlebt hat, er weiß doch, was er weiß, was bedeutet das denn, wahrscheinlich etwas Schreckliches, vielleicht Tödliches, ahnt er. Macht einen, dass man lernt, was man im Krieg lernen muss, dass man tut, was man tun muss, denn etwa zum Feind all derer, die einen in den Krieg geschickt haben?
    Deren Wirklichkeit beherrscht alles, mit einer Ausnahme: Sie kann einen nicht retten. Sie hält keine einzige Bombe oder Kugel auf. Er überlegt, ob es einen Grad von Sättigung, eine Verlustrate gibt, die irgendwann den ganzen Heimattraum in Scherben haut. Wie viel Wirklichkeit kann Unwirklichkeit aushalten. Er ist in einer Art Trance, als er das letzte Programmheft zurückgibt und sich auf den Weg zum Wagen macht, die geballten Fäuste tief in den Hosentaschen, um hoffentlich diese wildgewordene Erektion zu verbergen. Danke!, rufen die netten Leute hinter ihm her. Danke für Ihren Dienst! Eisregen pickt ihm an den Augen, aber das spürt er kaum noch. Die Polizisten treten beiseite, als er näher kommt, so kann er Josh und Albert sehen, sie stehen an der Tür, und Albert winkt ihn grinsend herbei. »Mach schnell!«, ruft er zum Scherz. »Komm her! Die fahren los!« Ist das hier vielleicht die Fahrt, die man auf keinen Fall verpassen darf, die eine, die einem das Leben rettet? Albert nimmt Billy im Vorbeigehen kurz in den Arm. Josh wünscht ihm viel Glück und kneift in seinen Ärmel, dann tritt Billy vom Bordstein hinunter zur Limousine und sackt auf die Rückbank.
    Albert knallt die Tür hinter ihm zu und winkt ein letztes Mal. »Wir sind so weit«,
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