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Die Insel - Roman

Titel: Die Insel - Roman
Autoren: Richard Laymon Thomas A Merk
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Bein hin und her zu schwingen.
    Immer noch fest an Wesleys Knöchel geklammert, streckte sie ihre Beine in die Luft wie ein Kind, das auf seiner Schaukel Schwung holt.
    »Hör auf!«, jaulte Wesley. »Verfluchte Scheiße, du tust mir weh!«
    Ich sprang hoch, ergriff zwei Gitterstäbe von Kimberlys Käfig und klammerte mich mit meinen Knien daran. Als ich einigermaßen Halt hatte, zog ich mich mit den Händen wieder ein Stück höher. Auf diese Weise arbeitete ich mich langsam und mühevoll auf das Dach des Käfigs hinauf, wo Wesley jetzt vor lauter Schmerz schrie. »Mein Bein!«, gellte mir seine Stimme in den Ohren. »Lass sofort mein Bein los. Verdammte Scheiße! Ahhhhhh!«
    Kimberly hatte aufgehört zu schaukeln und drehte sich jetzt wild um ihre eigene Achse und trat mit den Füßen gegen die oberen Gitterstäbe.
    Erst jetzt bemerkte ich, dass in ihrem rechten Oberschenkel ein Messer steckte. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie Wesley damit nach ihr geworfen hatte.
    Kein Wunder, dass Kimberly so wütend war.
    Sie schwang an Wesleys Bein hin und her wie ein tollwütiger Tarzan oder von mir aus auch wie eine nackte, wild gewordene Jane, die versucht, an ihrer Liane schwingend den Mond zu erreichen.
    Durch Wesleys lautes Schreien und Wimmern hörte ich auf einmal ein feuchtes, grausiges Knacken. Kimberly hatte Wesley offenbar den Oberschenkelknochen aus der Hüftpfanne gezogen.

    Sein Schrei jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken.
    »Bring ihn nicht um!«, schrie eine Stimme.
    Eine weit entfernte Mädchenstimme.
    Erin.
    »Er muss uns noch sagen, wo die Schlüssel sind!«
    Jetzt erreichte ich die erste Querstange der Käfigdecke. Mit beiden Händen griff ich danach und zog mich hoch.
    Wesley behielt mich im Auge, während ich ganz hinaufkletterte und schließlich mit allen vieren auf den Gitterstäben des Käfigdachs stand. Er befand sich rechts von mir kurz hinter dem Ende der Leiter.
    Obwohl sein eines Bein ausgestreckt auf dem Gitter lag, wippte sein Oberkörper hilflos hin und her wie eines dieser aufblasbaren Stehaufmännchen zum Draufschlagen.
    »Hilf mir!«, flehte er mich an. Sein vom Fackellicht flackernd beschienenes, schmerzverzerrtes Gesicht war ganz nass von Schweiß und Tränen. »Bitte!«, schrie er. »Sag ihr, dass sie aufhören soll! Bitte!«
    Trotz seiner Bitten hatte er sein zweites Messer wurfbereit in der Hand. Die Klinge ragte zwischen Daumen und Zeigefinger hervor.
    »Leg das Messer weg!«, rief ich.
    Es sah so aus, als könne er sich nicht entscheiden, ob er es auf Kimberly oder mich werfen wollte.
    Unter uns zog Kimberly sich an Wesleys Bein hoch und brachte dabei ihren Körper in eine horizontale Stellung. Einen kurzen Augenblick lang sah sie aus wie eine Frau, die sich im Dämmerlicht auf einem Bett ausstreckt, um sich ganz ihrem Geliebten hinzugeben.
    Laut brüllend holte Wesley mit dem Messer zum Wurf aus. Er hatte sich entschieden.
    Kimberly.

    Sie war schließlich seine Peinigerin und bot in dieser Lage, kurz bevor sie aus der Horizontale wieder nach unten schwang, auch ein viel besseres Ziel als ich.
    Mit einem verzweifelten Schrei sprang ich hoch und warf mich zwischen ihn und Kimberly.
    Ich hörte ein Klonk.
    Ein seltsames Grunzen.
    Und knallte mit voller Wucht auf die Gitterstäbe, die unter meinem Gewicht nachgaben und mit einem schwirrenden Geräusch wieder hochschnellten. Ich rutschte noch ein Stück weiter.
    Direkt unter meinem Gesicht war das von Kimberly.
    Sie hatte die Augen fast geschlossen und den Mund weit aufgerissen.
    Ihr Gesicht war groß und schön und gezeichnet vom Schmerz.
    Dann wurde es kleiner.
    Zuerst wusste ich nicht, warum.
    Aber dann kam immer schneller immer mehr von Kimberly in mein Blickfeld.
    Ihr Hals. Ihre Schultern.
    Ihre Arme, die sie nach oben gestreckt hatte wie jemand, der sich ergeben will.
    Ihr Brustkorb.
    Das Heft des Messers, das mitten zwischen ihren beiden Brüsten hervorschaute.
    Ihr Bauch, ihr Schritt, ihre Oberschenkel.
    Alles wurde kleiner.
    Und dann kam der Schrumpfungsprozess auf einmal abrupt zum Stillstand. Kimberlys Körper erbebte, als hätte ihn urplötzlich ein gigantischer Windstoß erfasst. Gesicht, Brüste, alles schien für einen Augenblick lang
wie flachgedrückt, bevor es wieder in die Ausgangslage zurückkehrte.
    Irgendwie wurde mir bewusst, dass ich schrie.
    Billie schrie auch.
    Seltsamerweise hörte ich nicht, wie Kimberly auf dem Beton des Käfigbodens aufschlug. Unsere entsetzten Schreie müssen das Geräusch wohl
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