Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Insel - Roman

Titel: Die Insel - Roman
Autoren: Richard Laymon Thomas A Merk
Vom Netzwerk:
ordentlich zugeschnürtes Bündel vor uns hatten, aus dem am Ende ein paar Füße herausschauten.
    Andrew wuchtete es sich auf die Schulter und ging voraus in Richtung Strand.
    Im Lager warteten Billie, Connie und Thelma auf uns. Alle drei weinten. Als wir kamen, scharten sie sich kopfschüttelnd und schluchzend um Kimberly und schlossen
sie in ihre Arme. Kimberly selbst schien relativ gefasst zu sein. Sie machte ein grimmiges Gesicht, brach aber nicht zusammen. Als ich sie in Keiths buntem Hemd so vor mir stehen sah, voller Schmerz und unglaublich tapfer zugleich, schnürte mir irgendetwas die Kehle zu.
    Wir diskutierten eine Weile darüber, was wir mit Keiths Leiche machen sollten. Weil wir nicht damit rechneten, dass wir noch lange auf dieser Insel bleiben würden, wollten wir sie nicht endgültig wegschaffen, sondern so aufbewahren, dass wir jederzeit rasch an sie herankommen konnten.
    Die endgültige Entscheidung überließen wir Kimberly, die sich schließlich dafür aussprach, dass wir ihn bei dem Felshaufen am Südende der Bucht begraben (oder besser: zwischenlagern) sollten. Die Stelle befand sich nahe genug am Lager, um sie ständig im Auge zu behalten und die Leiche im Falle einer Rettung rasch wieder ausgraben zu können. Andererseits war sie weit genug entfernt, sodass wir nicht direkt neben dem Leichnam leben mussten.
    Ich hoffe nur, dass er nicht anfängt zu stinken. Sein Anblick ist schon schlimm genug.
    Damit meine ich nicht die Leiche selbst, die sieht man jetzt nicht mehr. Ich meine den Steinhaufen, unter dem sie liegt. Ganz zu schweigen von dem Kreuz, das Kimberly am Nachmittag aus Treibholz gebastelt und am Kopfende von Keiths »Grab« aufgestellt hat. Das Holz ist knorrig und so sonnengebleicht, dass es mich irgendwie an Knochen erinnert.
    Aber ich greife vor.
    Zuerst mussten wir die Entscheidung treffen, wo wir Keith begraben sollten, und dann folgten wir alle Andrew, der den Toten über der Schulter trug, zu dem Felshaufen am Ende der Bucht. (Thelma kam auch mit. So schlimm
scheint ihre Verstauchung nun auch wieder nicht zu sein, sonst hätte sie nicht ohne Hilfe bei unserer Beerdigungsprozession mithumpeln können.)
    Nachdem sich Kimberly Keiths Grabstelle sorgfältig ausgesucht hatte, halfen Andrew, Billie und ich ihr mit dem Wegräumen der Steine.
    Thelma stand daneben und heulte wie ein Schlosshund.
    Auch Connie half uns nicht. Sie benahm sich ziemlich merkwürdig, stand stocksteif mit abwesendem Gesichtsausdruck da und rieb sich die Oberarme, als ob ihr schrecklich kalt wäre. Ich persönlich glaube nicht, dass sie um Keith trauerte. Ich glaube, dass sie Angst hatte.
    Als wir im Geröll eine flache Grube geschaffen hatten, legten Andrew und Kimberly den toten Keith hinein.
    Dann fragte Billie: »Willst du nicht ein paar Worte sagen, Andrew?«
    »Verneigen wir uns vor dem Toten«, fing Andrew an und betete dann mit fester Stimme ein Vaterunser. Er kannte es auswendig, was mich überraschte, denn ich hatte ihn nicht für einen religiösen Menschen gehalten.
    Als wir nach dem Gebet noch immer mit gesenkten Köpfen dastanden, stimmte ich »Oh Danny Boy« an. Keine Ahnung, warum ich das tat. Obwohl ich eine ziemlich gute Tenorstimme habe, bin ich normalerweise nicht der Typ, der in der Öffentlichkeit zu singen anfängt. Irgendwie war es unpassend, zumal er ja nicht einmal Danny hieß.
    Aber ich mochte ihn, und Kimberly tat mir so Leid.
    Bei Danny Boy brachen dann die letzten Dämme. Wir alle heulten wie die Schlosshunde.
    Auch Kimberly kamen die Tränen. Als das Lied zu Ende war, kam sie mit rotgeweinten Augen schniefend auf mich zu und umarmte mich.

    Ich hoffe, sie macht das bald mal wieder. Unter glücklicheren Umständen.
    Aber daran glaube ich nicht.
    Sie war so überwältigt von ihren Gefühlen, dass sie nicht wusste, was sie tat.
    Trotzdem war ich im Nachhinein froh, dass ich das Lied gesungen hatte. Sonst hätte sie mich niemals umarmt.
    Dann war die Beerdigung vorbei, und Kimberly schickte uns fort. »Den Rest mache ich alleine«, sagte sie, und so verließen wir sie und den Toten.
    Ein Stück weit von der Steine schleppenden Kimberly entfernt scharte Andrew uns um sich. »Von nun an geht keiner mehr alleine irgendwo hin«, sagte er. »Keiths Tod war kein Unfall. Er wurde ermordet.«
    Thelma stieß einen hohen, quiekenden Schrei aus, der ihr offenbar selber peinlich war, denn sie hielt sich gleich darauf die Hand über den Mund.
    Connie fing an zu zittern.
    Billie runzelte besorgt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher