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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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wenigstens keine körperliche?
    Es ereignete sich nichts mehr. Um Mitternacht gingen wir schlafen. »Schlafe gut und schnell!« sagte Horst in einem Ton, der besser zu einem Befehl gepaßt hätte.

    Morgens kam Werner zurück.
    »Nichts über den Chef!« sagte er bedauernd.
    »Gut, dann geh schlafen!« antwortete Horst Heilig.
    Werner sah ihn aufmerksam an.
    »Du machst dir Sorgen?« fragte er.
    »Ja, aber du gehst schlafen.«
    Werner gehorchte widerwillig, aber er gehorchte. Mir fiel jetzt auch auf, daß Horst Heilig seltsam unruhig war.
    »Noch mal alles durchrechnen?« bot ich an.
    »Nein, laß mal jetzt dein Gerät. Hör mir lieber mal zu, aber lach mich nicht aus. Ich spüre meinen Gegner beinahe körperlich, mir ist, als ob ich an einem Schachbrett säße, und der Gegner…, hast du mal Schach gespielt?«
    »Hin und wieder«, sagte ich zögernd.
    »Weißt du, Schach wird zu Unrecht als reine Gedankenarbeit bezeichnet. Es ist ebenso wichtig wie vielleicht beim Fechten, den Gegner genau zu beobachten. Mir ist, als säße ich einem Gegner gegenüber, der eine Tarnkappe aufhat, und ich habe keine Vorstellung von seinem nächsten Zug.«
    »Aber er ist doch matt?« fragte ich.
    Horst Heilig schüttelte den Kopf. »Erstens ist der Chef nicht allein, er hat wenigstens noch ein oder zwei Mann. Und dann hat er noch zwei Tage Zeit bis zur Abnahme. Ja, ich weiß, wir haben alles berechnet, er kann überhaupt nichts mehr anstellen – und trotzdem, wenn ich bedenke, was für ihn davon abhängt, so glaube ich den Berechnungen nicht mehr. – Ich kann einfach nicht glauben, daß er ruhig seine Koffer packt und abreist. Er bereitet noch etwas vor, ich fühle es.«
    Bis heute weiß keiner genau, was im Kopf eines Menschen vorgeht, der sagt: Ich fühle es. Wenn man klaren Verstand hat und große Erfahrung und Sachkenntnis, dann vollziehen sich in dem dunklen Bereich unterhalb unseres Bewußtseins manchmal Prozesse, die zu Ergebnissen führen, welche scheinbar aller Logik widersprechen und deren wir uns trotzdem sicher sind – und die Praxis bestätigt sie. Früher entstand daraus Aberglauben – aber in Wirklichkeit ist das einfach Bestandteil des schöpferischen Prozesses, und ein sehr wesentlicher dazu.
    Ich war jedenfalls augenblicklich davon überzeugt, daß Horsts Sorgen keine Hirngespinste waren.
    »Sag mir alles, was du in diesem Zusammenhang denkst!« bat ich ihn.
    »Ich denke an dieses Laserfunkgerät«, sagte er. »Kann es nicht irgendwelche noch unbekannte Technik geben, mit der sie uns beikommen können? Ich meine Technik im weitesten Sinne. Zum Beispiel ein Nervengas. Oder Flügel, mit denen man wie ein Vogel fliegen kann, es gab mal vor Jahren solche Experimente: Oder weiß der Teufel was.« Er sah mich an, ob ich vielleicht lächeln würde, aber mir war todernst.
    »Weißt du was?« sagte ich. »Du hast zwar vorhin mein Gerät abgelehnt, aber ich möchte es trotzdem benutzen, nur anders. Es soll uns ausrechnen, was nötig ist, damit drei Mann die INSEL für eine kurze Zeit beherrschen können. Oder nicht mal das – nur eindringen und irgend etwas anstellen.«
    »Ja, gut, meinetwegen«, stimmte Horst Heilig zu. »Es ist immer noch besser, als nichts zu tun.«
    Bisher habe ich die Arbeit mit dem Gerät nie beschrieben – es erschien mir zu langweilig und zu umständlich, vor allem der abgehackten und speziell stilisierten Sprechweise wegen, die man schriftlich nur unvollkommen wiedergeben kann. Aussage-, Frage- und Befehlssätze unterschieden sich nur durch Intonation, da die Folge Subjekt-Prädikat-Objekt beim Gespräch mit Rechnern damals noch in jedem Satz eingehalten werden mußte, außer in Gleichungssätzen – kurz, das Ganze läse sich sicherlich ziemlich eintönig und ermüdend.
    Wenn ich mich nun über diese Erwägungen hinwegsetze, dann aus zwei Gründen. Erstens war uns in diesem Fall das Gerät mehr als ein Hilfsmittel. Wenn das nicht nach einer unzulässigen Vermenschlichung klingen würde, möchte ich fast sagen, es wurde für uns zu einer Art Diskussionspartner. Zweitens aber spielte es auch, so seltsam es sich anhören mag, eine emotionale Rolle: Es dämpfte unsere Erregung und zwang uns zur Sachlichkeit, disziplinierte unser Denken. Denn wir waren natürlich erregt. Die Verantwortung, die in diesen Tagen auf uns lastete, war riesengroß, selbst für Horst Heilig, der ja in weitaus höherem Maße als ich gewöhnt war, Verantwortung zu tragen. Sicherlich, auch ein Gelingen des gegnerischen
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