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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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andere unserer Leute verdächtig erscheinen sollte, so mußte er leicht feststellen können, daß sie es nicht waren. Gegen zwei Uhr drangen wir ein. Werner zog die Vorhänge zu und machte Licht.
    An allen Wänden, auf jedem freien Fleckchen hingen und standen Fotos, Aufnahmen von Blumen, Pflanzen, Käfern und anderen kleinen Objekten, großartige Aufnahmen zumeist, die auf jeder Ausstellung in Ehren bestanden hätten – aber nirgends fand sich eine Urkunde über einen Preis oder so etwas. Wer ein solches Steckenpferd mit einer derartigen Perfektion reitet, den drängt es doch an die Öffentlichkeit, es sei denn, er hätte Grund, sie zu scheuen. Oder – mir kam plötzlich ein Gedanke – vielleicht hatte der Mann tatsächlich Preise, aber keine aus der DDR? Ich sagte das Werner, aber der meinte, das könnte höchstens nach der Verhaftung für die Feststellung der Identität von Bedeutung sein. Also machten wir uns an die Durchsuchung.
    Wir fanden mehrere Kameras und die verschiedenen Zusatzgeräte – alles normal bei einem Amateurfotografen. Nichts deutete darauf hin, daß sich hinter dieser Leidenschaft irgend etwas anderes versteckte.
    »Ich weiß nicht…«, sagte ich zögernd.
    Aber Werner war gründlicher als ich. In der Ecke stand mit ausgezogenen, aber nicht abgespreizten Beinen ein Stativ, über das ein Hemd gehängt war. Er nahm das Hemd herunter, guckte und sagte: »Sieh mal, was ist denn das hier?«
    Auf das Stativ aufgesteckt war ein Richtuntersatz mit Wasserwaage, Höhen- und Seitenstellschrauben wie bei einem Theodoliten.
    »Braucht er das für Blumen und Käfer?« fragte Werner verwundert.
    »Kaum«, entgegnete ich, »für astronomische Aufnahmen oder ähnliches könnte man das benutzen, aber sonst…«
    »Dann wollen wir uns das mal merken«, sagte Werner, stellte das Stativ sorgfältig wieder in die Ecke und hängte das Hemd darüber. Dann machte er sich an die Schubladen.
    »Und was ist das hier?« fragte er. In seiner Hand lag ein kleiner Schlüssel mit einem Anhänger. A 27 stand darauf.
    »Gepäckaufbewahrung!« tippte ich. »Wo lag denn der?«
    Werner lachte. »Zuunterst in einer Plastbüchse mit Gewürztüten!« sagte er.
    Nach einer halben Stunde hatten wir praktisch jedes Stäubchen im Zimmer umgedreht.
    »Das war’s wohl!« sagte Werner. »Was sind denn die einzelnen Teile der Fotoausrüstung wert?«
    Ich nannte ihm die ungefähren Preise. Besonders wertvoll waren eine Kamera und ein Weitwinkelobjektiv.
    »Also ein Einbrecher, der ein bißchen was vom Fach verstünde, würde die beiden Sachen nehmen und das andere Zeug liegen lassen?« fragte Werner. Ich nickte. »Gut, dann machen wir’s auch so!« sagte er.
    »Ist es nicht besser, wenn er gar nichts merkt?« fragte ich.
    »Der merkt, verlaß dich drauf!« entgegnete Werner und löschte das Licht.

    Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, auf beiden Hochzeiten zu tanzen – auf der des Professors und der von Horst Heilig, so wie ich das neulich bei dem kleinen Streit zwischen beiden versprochen hatte, und deshalb hatte ich mich heute mit Nora verabredet. Wir saßen im Arbeitszimmer ihrer Gruppe und redeten, stellten uns Fragen, beantworteten sie – aber irgendwie kamen wir nicht an den Kern der Sache heran, auf keine Weise ließ sich die Tatsache, daß Anton – bedingt durch den Charakter seiner Arbeit – ständig die Grenzen seines Arbeitsraums ausweitete, in Einklang bringen mit dem Prinzip der festen Eingrenzung.
    »So kommen wir nicht weiter«, sagte ich schließlich verdrossen. »Draußen scheint die Sonne, und wir sitzen hier drin und zermartern uns den Kopf!«
    Ich stand mit dem Rücken zum Fenster, als ich das sagte. Nora lachte.
    »Findest du das so ulkig?« fragte ich.
    »Nein – nur daß wir in den letzten vierzehn Tagen genug Sonne hatten, und im Moment scheint sie auch gar nicht, es will regnen. Vielleicht regnet’s schon!«
    »Ach, Unsinn, das gibt’s doch gar nicht, Regen – was ist denn das?« sagte ich, drehte mich um und hielt die Hand aus dem Fenster. »Kein Tropfen!«
    »Moment mal«, sagte Nora plötzlich mit seltsamem Ton, »bleib mal so stehen!« Sie sprang auf und trat zu mir, sah auf mich, auf meinen ausgestreckten Arm und wieder auf mich. »Hast du jetzt eigentlich das Zimmer verlassen oder nicht?« fragte sie.
    Ich mußte sie angesehen haben wie eine Irre, denn sie wiederholte: »Hast du die Grenzen des Zimmers überschritten?«
    Da begriff ich. Ich nahm sie in die Arme und wirbelte sie herum, bis mir
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