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Die Insel der Roboter

Die Insel der Roboter

Titel: Die Insel der Roboter
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Heilig schüttelte den Kopf. »Zu lange.«
    »Ich könnte das Verfahren abkürzen, wenn der Kommandeur einverstanden ist. Kann ich ihm nicht meinen Sonderausweis zeigen?«
    »Dem Regimentskommandeur ja.« Er lachte wieder. »Das Ding wird Ihnen noch genug Ärger machen. Sie dürfen es immer nur führenden Funktionären zeigen – aber dringen Sie erst mal bis zu denen vor, wenn Sie nicht angemeldet sind! Versuchen Sie das mal.
    Machen Sie einem versierten Vorzimmerlöwen klar, daß Sie seinen Schützling sprechen müssen, aber nicht sagen können, warum!« erzählte er. »Ich war mal in der Situation, daß ich dringend mit einem Direktor verhandeln mußte, den ich nicht kannte und mit dem ich auch nicht verabredet war. Ich durfte mich aus bestimmten Gründen nicht einmal als RGW-Mitarbeiter zu erkennen geben. Ich stürme also das Vorzimmer und versuche, die Sekretärin zu beschwatzen, ich sei ein alter Schulfreund vom Direktor, und wir hätten uns jahrelang nicht gesehen, und ich wäre nur auf der Durchreise, hätte extra hier haltgemacht, um ihn wiederzusehen, und so weiter und so fort – was man in solchem Fall eben sagt. Aber ich merkte, ich kam nicht bei ihr an, ich mußte stärkere Geschütze auffahren. Ich sagte, ich solle ihm auch Grüße bestellen von meiner Frau, sie wäre nämlich das Mädchen, in das wir früher beide verliebt waren, und wie ich noch so schwatze, gehen zwei Türen auf, zur einen kommt der Betriebsschutz herein und zur anderen glücklicherweise der Direktor – eine Frau!«
    Ich lachte herzlich; mag sein, daß die Anekdote gar nicht so komisch ist, aber es kommt ja immer auf die Situation an, in der so etwas erzählt wird, und auf die Person des Erzählers. Mich befreite das Lachen von den Resten der Unlust, mit der ich diese Fahrt angetreten hatte, und ich wandte meine Gedanken nun der Zukunft zu.
    »Dann erzählen Sie mir gleich etwas über den Leiter des Projekts«, bat ich, »damit ich nicht in eine ähnliche Lage komme!«
    Der Leiter der INSEL, so erfuhr ich, sei Professor Dr. Hetz, übrigens der stellvertretende Vorsitzende des Forschungsbeirates der DDR.
    »Ein Gelehrter von Weltruf«, charakterisierte Horst Heilig ihn, »ein Mann von Format, eine Persönlichkeit. Ich habe schon mit ihm gearbeitet. Das ist leicht und schwer zugleich – leicht, weil er keine Unterschiede macht, jeder ist nur Mitarbeiter, er selbst eingeschlossen; und schwer, weil für ihn nur Argumente gelten. Wehe, wenn in Ihrer Begründung für irgend etwas eine Lücke ist! Er entdeckt sie unfehlbar und zerschlägt Ihnen erbarmungslos Ihr ganzes Gedankengebäude. Allerdings hilft er dann auch, aus den Trümmern die brauchbaren Bruchstücke herauszusuchen; doch die Arbeit müssen Sie noch mal machen. Und das ist gut, das erzieht zur Genauigkeit.«
    Nach dieser enthusiastischen, nur leider etwas allgemeinen Schilderung war ich auf den Professor gespannt. Ich stellte mir einen großen, schlanken Mann mit weißen Haaren vor, mit energischem Gesicht, kühlen Augen, der in einem Büro residierte, in dem Zweckmäßigkeit und Eleganz zu einer ästhetischen Einheit verschmolzen.
    Aber wie es in solchen Fällen meistens zugeht, hatte ich mich gründlich geirrt. Regelrecht enttäuscht war ich, als wir in das »Büro« des Professors geführt wurden. Ich kann mir nicht helfen, ich sehe solche Räume immer mit den Augen meiner Frau, die ja Büro-Ingenieur ist, wie ich wohl, schon sagte. Dieses »Büro« setze ich mit vollem Recht in Gänsefüßchen. Es war nicht mehr als ein verglaster Abschlag in einem Saal, in dem sich etwa ein Dutzend Menschen zwischen einer Unzahl von Geräten, Armaturen, Schaltpulten verloren. In dem Glaskäfig von vielleicht drei Metern mal drei Metern stand ein altertümlicher Schreibtisch, und eine Wand war völlig zugestellt mit – Büchern! Aber nun nicht etwa mit schöngeistigen Werken, bei denen Einband, Papier und Drucktypen sozusagen in den künstlerischen Genuß mit eingehen, sondern mit Fachbüchern, wie sie vor zehn, fünfzehn Jahren noch in Gebrauch waren, die aber heute eigentlich überall durch ein Lese-Kopier-Gerät ersetzt sind, weil das einfacher ist und Raum, Zeit und Energie spart. Statt einem Diktatdrucker sah ich Papier auf dem Schreibtisch, und die einzige Konzession an ein modernes Büro schien ein kleiner Tischrechner zu sein.
    Der Schreibtisch stand auf Eck, und an den zwei Wänden gegenüber, an den Glaswänden also, waren Sitzbänke angebracht. Und das war alles.
    Ein kleiner,
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