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Die Insel der Krieger

Die Insel der Krieger

Titel: Die Insel der Krieger
Autoren: Christina Manz
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steckte eine Hand in die Tasche seines Gewandes und u m schloss den Stein, der sich überraschend warm anfühlte. Das Wissen, ihn bei sich zu haben, beruhigte ihn. Er fühlte sich weniger verlassen bei dem Gedanken, etwas auf die Insel mitzunehmen. Doch er hatte plötzlich das beunruhigende Gefühl, dem Mädchen noch etwas sagen zu müssen. Zwar wusste er nicht genau was, doch fand er ihren A b schied vom Vortag nicht angemessen, wenn er bedachte, dass er sie niemals wieder sehen würde. Stunden verstrichen. Der Nebel wurde lichter, doch es schien, als wolle der Tag heute nicht anbrechen. I m mer dunkler wurde der Himmel. Naligs Benommenheit hingegen ließ nach. Ein dumpfes Gefühl von Angst und Widerwillen schüttelte ihn und ließ seine Beine zittern. Angestrengt versuchte der Junge, sich nichts anmerken zu lassen. Dann endlich geschah etwas. Auf dem Wasser war eine Bewegung wahrzunehmen. Ein Boot tauchte aus dem weißen Schleier auf. Es trug kein Segel und niemand saß darin. Lautlos glitt es auf das Ufer zu und stieß sachte gegen den Steg. Nalig war darüber so erstaunt, dass er kurzzeitig vergaß, was er zu tun hatte. Als er versuchte, einen Schritt zu machen, stellte er fest, dass seine Glieder wie mit Blei gefüllt waren. Leicht wankend und ganz alleine ging er hinunter zum Ufer und betrat den knarrenden Steg. Er wandte leicht den Kopf und sah aus den Augenwinkeln seinen Vater verloren inmi t ten der übrigen Dörfler stehen. Nalig hätte ihm gerne einige aufmu n ternde Worte zugerufen. Doch abgesehen davon, dass ihm kein Trost einfiel, schaffte er es nicht, den Mund zu öffnen. Also setzte er sich mit dem Rücken zum Ufer in das Boot und schaute nicht zurück, als sich das Schiffchen in Bewegung setzte. Der Nebel war noch immer dicht genug, um die Dorfleute nach nur wenigen Augenblicken vol l ständig zu verschlucken. Naligs Sicht durch die Nebelwand beschrän k te sich auf kaum mehr als eine Armlänge. Er sah nur das Boot, in dem er saß und einen kleinen Teil der sich kräuselnden Wasseroberfläche. Mit Erstaunen stellte der Junge allerdings fest, dass sich der Nebel bald verlor. Als er sich umwandte, sahen die weißen Schwaden aus wie ein Vorhang, der die Sicht auf das Ufer verwehrte. Nun war der Blick auf den Himmel frei und was Nalig da sah, beunruhigte ihn zutiefst. Man wollte angesichts der Schwärze gar nicht glauben, dass es kurz nach Mittag war. Ein unheilvolles Donnergrollen drang über das Wasser. Nalig erschauderte. Es war kalt auf dem See. Kälter als an Land. Da niemand den See je befahren hatte, wusste auch niemand, wie groß er war und wie weit die Insel entfernt lag, außer natürlich denjenigen, die es nicht mehr berichten konnten. Die Fahrt dauerte lange und es schien immer dunkler zu werden. Während Nalig versuchte, den lauter werdenden Donner nicht zu beachten, erkannte er, dass die zunächst spiegelglatte Wasseroberfläche um ihn her in Bewegung geriet. Wellen schwappten gegen die Seiten des kleinen Bootes, das bedenklich ins Wanken geriet. Nalig fühlte sich inmitten des Sees ausgeliefert. Kein Ufer war in Sicht und er konnte nicht schwimmen. Den Regen hörte er, noch ehe er ihn sah. Es war ein Rauschen, das zu seiner Linken immer lauter wurde. Als er sich nach dem seltsamen Laut umwandte, sah er gerade noch, wie die Wand fallender Tropfen ihn erreichte. Dann schwappte sie über ihn hinweg und er war von einem Auge n blick auf den nächsten vollkommen durchnässt. Es war, als würden unaufhörlich volle Wassereimer über ihm ausgeschüttet und das kleine Boot füllte sich erschreckend schnell. In heller Aufregung versuchte der Junge, mit den Händen Wasser zurück in den See zu schöpfen – ein hoffnungsloses Unterfangen, während die Ärmel seines Gewandes seine Arme nass und schwer nach unten zogen und der Regen ohne Unterlass auf ihn niederging. Er war nun so dicht, dass Nalig nicht über den Bootsrand hinausschauen konnte, während er den bangen Blick nach vorn richtete in der Hoffnung, die Insel möge endlich vor ihm auftauchen. Große Wellen brachten das Schiffchen fast zum Ke n tern, während das Wasser immer weiter zum Bootsrand hinaufkroch. Dass der Kahn bei diesem Seegang den Kurs würde halten können, bezweifelte der Junge zutiefst, und wenn er das Ufer nicht bald e r reichte, würde er in den Wogen dieses Sees jämmerlich ertrinken. Treibholz, das sich im Klammergriff der Wassermassen befand, schlug gegen die Seitenwand des Bootes und ließ das betagte Holz ächzen.
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