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Die Insel der Krieger

Die Insel der Krieger

Titel: Die Insel der Krieger
Autoren: Christina Manz
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den See hinaustrieb und lodernd in Flammen aufging. Das Feuer ließ das Wasser ringsum gli t zern und im Nebel über dem See bildete sich ein Regenbogen. Schwe i gend blickten die Trauergäste dem Boot nach, bis es so weit davon getrieben war, dass auch der helle Schein des Feuers verschwand.
    In Serefil war Naligs Vater auf dem Weg zum See. Über ein Jahr war es nun her, dass sein Sohn das Dorf verlassen hatte. Und dennoch zog es ihn noch immer jeden Tag hinunter ans Wasser. An manchen Tagen war ihm zum Weinen zumute, wenn die Wasseroberfläche hinter dem Schilf auftauchte. An anderen fühlte er sich einfach hilflos. Und manchmal fand er sogar einen Augenblick der Ruhe, in dem er Zufriedenheit empfand und sich versöhnlich fühlte, wenn er dort am Ufer saß. Gleichwohl war es immer ein beklemmendes Gefühl, auf das Wasser zu blicken, über das sein Sohn gefahren war, ohne je wiede r zukehren und ohne, dass er je wirklich sicher hatte sein können, was ihm widerfahren war. Doch heute war etwas anders. Schon von We i tem sah Naligs Vater etwas am Ufer liegen. Die Menschen im Dorf mieden das Wasser. Sie fürchteten den See. Und seit die Tochter des Schmieds verschwunden war, kam außer ihm niemand mehr hierher. Wer also sollte etwas dort zurücklassen? Mit zusammengekniffenen Augen versuchte der Mann zu erkennen, was es war, während er näher kam. Strahlend weiß leuchtete es in der Sonne. Mit einem überraschten Ausruf erkannte er schließlich, was es war, als er den letzten Hang herunter kam. Es war eine Frau. Sie trug ein langes weißes Kleid, das auf dem Wasser wogte, das noch ihre Füße umspielte. Naligs Vater eilte zu ihr. Die Frau lag mit dem Gesicht nach unten. Braunes Haar wallte um ihre Schultern. Der Mann drehe sie sachte um. Sie fühle sich kalt an und ihre Augen waren geschlossen. Ihre Züge kamen Naligs Vater vertraut vor. Kleine Falten hatten sich um Augen und Mund gebildet. Sie war etwa in seinem Alter und als sie die blauen Augen aufschlug, hatte er das Gefühl, in das Gesicht seiner Frau zu blicken. Mit der gleichen Verwirrung, die er empfand, schaute sie zu ihm auf. »Wer seid Ihr? « , wollte sie wissen. Naligs Vater nannte ihr seinen N a men und half ihr, sich aufzusetzen. »Und wer seid Ihr? « , wollte er im Gegenzug wissen. »Mein Name ist Kaya«, erklärte sie. »Und woher kommt Ihr? « Sie sah ihn ratlos an. »Ich weiß es nicht. « »Ihr wisst es nicht? Aber irgendwie müsst Ihr doch hierher gekommen sein. « Ein Ausdruck von Verzweiflung trat in ihre Augen. »Ich erinnere mich an gar nichts. « Sie begann zu zittern. »Ich glaube, etwas Schreckliches ist geschehen. « »Beruhigt Euch«, bat der Mann. »Ihr seid in Sicherheit. Doch wir sollten nicht hierbleiben. Auf einer Insel in diesem See lebt eine Göttin, die es nicht gerne sieht, wenn jemand dieses Wasser b e rührt. « »Eine Göttin? « , fragte die Fremde und kniff die Augen zusa m men, als versuche sie, sich an etwas zu erinnern. »Ich werde Euch zu meinem Haus bringen. Ihr könnt bleiben, bis Ihr Euch erinnert, wohin Ihr gehört«, erklärte Naligs Vater. Er zog sie auf die Beine und legte ihr seinen Mantel um die Schultern. Die beiden wollten gerade gehen, als Naligs Vater noch etwas auffiel. Dort, wo die Frau im weißen Kleid gelegen hatte, war eine Menge verkohlter Holzstücke angespült wo r den. Sie sahen größtenteils so aus, als stammten sie von einem kleinen Boot. Eines der Holzstücke jedoch stach dem Mann ins Auge. Es maß eine Armlänge und war an einem Ende verkohlt. Es war ganz rund und glatt geschliffen. Das Bemerkenswerte war jedoch, dass jemand ein Muster in das Holz geschnitzt hatte. Ein Muster, das dem Mann sehr vertraut war. Er selbst hatte es in den Rahmen über der Eingang s tür seines Hauses geschnitzt. Wie also kam nun eben jenes Muster in dieses Stück Holz? Naligs Vater drehte es einige Male in den Händen. Dann blickte er über den See in den immerwährenden Nebel. Und plötzlich stahl sich ein Lächeln in sein Gesicht und er hatte das Gefühl zu verstehen. Der Mann wandte sich der Frau namens Kaya zu, die mit nassem Haar und in seinen Mantel gehüllt am Ufer stand und ihn beobachtete. Er führte sie den Hügel hinauf und verließ mit ihr den See, den er fortan nicht mehr allzu häufig besuchen würde.
    Nalig klopfte sachte an die Tür zur Kammer neben der Küche. Es war drei Tage her, dass er in den Tempel zurückgekehrt war und noch früh am Morgen. Ilia war wach und hielt ihre Tochter im Arm. Nalig
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