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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft
Autoren: Horst Biernath
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mit Geld umzugehen.“
    „Sie haben in Ihrem Schreiben Schwierigkeiten angedeutet, Mr. Fullard...“
    „Die üblichen, Herr Ströndle — Sie wissen, der Amtsschimmel hat überall auf der Welt eine etwas behäbige Gangart. Und dann sind da auch noch die Steuerbehörden. Sie werden einen erheblichen Batzen abschreiben müssen... Aber es bleibt Ihnen trotzdem ein Riesenvermögen übrig.“ Er öffnete eine Schreibtischschublade: „Rauchen Sie, Herr Ströndle? Ich möchte mir gern meine Pfeife anzünden.“
    „Wenn Sie erlauben, rauche ich eine Zigarette.“
    „Bitte, bedienen Sie sich!“ Er schob Wilhelm Ströndle ein Kästchen Zigaretten hinüber und reichte ihm auch eine Schachtel mit italienischen Wachszündern, die er von einer Italienreise mitgebracht zu haben schien. „Ich glaube“, sagte er, während er seine Shagpfeife stopfte und anbrannte, „daß wir in Ihrem Falle mit einer verhältnismäßig raschen Erledigung rechnen dürfen. Ich habe mit dem Lordschatzkanzler über Ihren Fall ausführlich gesprochen. Die Steuerfragen sind geklärt, und wenn Ihre Papiere in Ordnung sind und der strengen Überprüfung standhalten, die wir aus verständlichen Gründen sehr genau vornehmen müssen, so wird sich die Angelegenheit wohl nicht mehr lange hinauszögern.“
    „Darf ich fragen, was Sie unter ,nicht allzu lange’ verstehen, Mr. Fullard?“
    „Nun, sagen wir einmal: drei oder vier Monate.“ Wilhelm Ströndle atmete auf; das war besser, als er zu hoffen gewagt hatte. Er öffnete den Reißverschluß seiner Aktenmappe und legte die Originalurkunden auf den Tisch: „Aus diesen Dokumenten geht einwandfrei hervor, daß Johannes Chrysostomus Ströndle mein Urgroßvater war. Die Urkunden sind lückenlos...“
    Mr. Fullard nahm die Papiere entgegen, blätterte sie durch und drückte auf einen Klingelknopf: „Ich werde Mr. Scrub sofort eine Aufstellung der Dokumente anfertigen lassen und Ihnen den Empfang der Originalurkunden bestätigen. Ich brauche die Originale zur Vorlage bei der Regierung Ihrer Majestät. Übrigens haben wir über Bonn bereits Erkundigungen eingezogen, die Ihre ersten Angaben vollauf bestätigt haben.“
    Mr. Scrub, der Kahlkopf aus dem Vorzimmer, war inzwischen eingetreten, und Mr. Fullard gab ihm einige Anweisungen. Trotz der Schallabdichtung hörte man bald im Vorraum das Hämmern einer Schreibmaschine. Mr. Fullard deutete mit dem Pfeifenrohr auf ein dickes, blaues Aktenkonvolut, dessen Schild in einer altertümlich verschnörkelten Amtsschrift das Faszikel „Joh. Chrys. Ströndle“ trug.
    „Ich habe Ihnen das Leben Ihres Urgroßvaters nur in kurzen Zügen schildern können. Dieser Akt enthält bedeutend mehr Material. Ich werde es Ihnen, da es Sie sicherlich interessieren wird, gelegentlich in einer Abschrift zukommen lassen.“ Er drückte die Glut seiner Pfeife an und paffte blaue Wölkchen über den Schreibtisch hin.
    „Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar, Mr. Fullard!“
    „Ein außerordentlicher Mann, dieser Johannes Chrysostomus Ströndle! Eine Erscheinung, wie es sie heute kaum mehr geben kann und wie sie auch das vergangene Jahrhundert nur in einigen wenigen Exemplaren hervorgebracht hat. Ein Konquistador, mein lieber Herr Ströndle — ein Mann, der in das Zeitalter der Eroberungen und Entdeckungen gepaßt hätte, zu Cortez und Franz Pizarro. — Wenn ich schriftstellerische Talente hätte, dann würde ich Sie bitten, mich seine Geschichte schreiben zu lassen. Es gäbe einen wilden und bunten Roman. Ja, es wäre ein großartiger Stoff für einen Autor, der auf seiner Palette die Farben von Rudyard Kipling oder Joseph Conrad hätte...“
    Wilhelm Ströndle räusperte sich: „Ich habe daran gedacht, meinem Urgroßvater ein Denkmal setzen zu lassen.“
    Mr. Fullard hob sein Gesicht so rasch, daß man befürchten konnte, sein Einglas würde herabfallen und am Boden zersplittern, aber die lederartige Haut hielt es sogar im Schlaf fest.
    „Ich sprach von einem Roman“, murmelte er, „aber wenn Sie Bronze für besser halten — selbstverständlich!“ Er streckte die Hand mit einer Geste aus, als gäbe er Wilhelm Ströndle den Weg zu allen Wünschen frei.
    „Was mich noch interessiert“, sagte er nach einer kleinen Weile, währenddem er seine Pfeife ausgeklopft und eine neue gefüllt hatte, „was veranlaßte Ihren Urgroßvater eigentlich, Deutschland zu verlassen? Es geschah Anno achtundvierzig, nicht wahr? In Baden gab es damals Krawall. Hecker mit seinen
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