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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft
Autoren: Horst Biernath
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„arbeiten und nie verzweifeln wollen! Falls Sie eine harte Lehrzeit durchmachen und mit den kargen Mitteln für Ihren Lebensunterhalt zufrieden sein wollen, die ich Ihnen bieten kann. Falls Sie nüchtern und fleißig sein wollen...“ und so redete er noch eine ganze Weile fort und wuchs bei den positiven Punkten seiner Ansprache strahlend empor, um bei den negativen wieder zusammenzufallen und wie ein boshafter Zwerg auszusehen.
    Jawohl, er hatte Werner nichts zu bieten als Schweiß und harte Opfer — und seine Rede klang wie die denkwürdige Ansprache Churchills aus dem zweiten Kriegsjahr an das englische Volk. Danach schüttelte Werner ein Dutzend Hände und hörte ein Dutzend Namen, von denen ihm nur einer im Gedächtnis blieb: Cornelia Blank, die ihm vergnügt zuzwinkerte, als ob sie schon alte Freunde seien, und die durchaus sein Typ war, auch wenn er vor ihr das Gegenteil behauptet hatte.

    15.

    Das Hotel, das Wilhelm Ströndle nach zwei unbefriedigenden Versuchen, eine passende Unterkunft zu finden, schließlich wählte, war das „Belford“, ein stilles, vornehmes Haus in der Nähe des Greenparks, das zur Zeit der Rennen, der Wimbledonturniere und der Ruderregatten hauptsächlich vom Landadel besucht wurde. Es war nicht gerade billig, aber es war auch nicht so teuer, wie Wilhelm Ströndle es insgeheim befürchtet hatte, als er die Halle betrat. Er nahm ein Appartement und schlug seiner Begleiterin vor, ebenfalls ins Belford zu ziehen. Jutta Wendland überlegte sich seinen Vorschlag nicht lange. Sie nahm ein bedeutend billigeres Einzelzimmer im zweiten Stockwerk des Hauses.
    Der Boy schaffte ihre Koffer auf die Zimmer, und sie nahmen in der Halle Platz, um einen Tee zu trinken. Nicht, daß es in ihrem Verhältnis zueinander auch nur zu der geringsten Vertraulichkeit gekommen wäre. Jutta Wendland hütete sich, den Eindruck zu erwecken, als ob sie leicht zu erobern sei. Sie spielte ihre Damenrolle so vollendet, daß Hotelportier und Empfangschef die beiden trotz aller Hellhörigkeit in solchen Dingen nie für ein Paar hielten, das die getrennten Zimmer nur aus Schicklichkeitsgründen gewählt hatte. Und daß Wilhelm Ströndle seine Gefühle für seine schöne Begleiterin verriet, war schon deshalb ausgeschlossen, weil er viel zu schüchtern und zu befangen war, um einen Annäherungsversuch auch nur zu wagen. Nie hätte er geglaubt, daß sie auf seinen Vorschlag eingehen werde, mit ihm unter dem gleichen Dach zu wohnen. Und als sie es dann doch tat, zog er daraus nur die Folgerung, daß sie als Frau der Großen Welt sich eben Dinge erlauben konnte, die sich eine andere nie hätte leisten dürfen.
    Er war von ihr begeistert. Immer stärker empfand er, daß sie die Frau war, die ihm ein gutes Schicksal über den Weg geführt hatte. Sie war elegant, sicher, verwirrend gewachsen, mit erlesenem Geschmack angezogen und dabei heiter und natürlich; ja, er verkannte nicht, daß sie sogar auf diese fischäugigen Burschen, die sie bedienten, Eindruck machte, und daß ihre Wünsche mit einem ganz anderen Schwung erledigt wurden, als wenn er dem Boy oder dem Kellner einen Auftrag gab. Er spürte, daß ihm doch noch jenes Auftreten abging, das Kellner und Hotelpersonal herbeistürzen ließ, wenn er nur die Braue hob. Oberkellner schienen eine kannibalische Witterung dafür zu besitzen, ob man Spätlesen oder billige Möste, Schleie oder Dorsch, Spargel oder Kartoffeln genoß. Nun, dem war leicht abzuhelfen! Er tröpfelte die Sahne in den Tee und reichte Jutta Wendland den Zucker hinüber.
    „Wann wollten Sie Ihre Besuche machen, Herr Ströndle?“
    „Morgen will ich Fullard aufsuchen...“ Er sah sie an: „Sind Sie sehr müde, Fräulein Wendland?“
    „Weshalb fragen Sie?“ Sie streckte sich ein wenig und ließ ihn ihre schlanken, schöngeformten Beine sehen. Er rauchte nervös und klopfte die Zigarette ab, obwohl keine Asche daran war.
    „Ich hätte mich darauf gefreut, mit Ihnen noch einen kleinen Bummel durch London zu machen.“
    Auch das konnte sich nur eine große Dame leisten, die ihrer selbst sehr sicher war, seine Einladung ohne langes Zögern anzunehmen.
    „Gut, Herr Ströndle, ich bin dabei.“
    „Reizend von Ihnen! Haben Sie noch die Güte, dem Boy zu sagen, daß ich das Taxi um acht Uhr vor dem Hotel erwarte. Wir haben dann beide noch ein wenig Zeit, um uns frisch zu machen.“
    „Wenn Sie etwa an einen strapaziösen Bummel denken“, lächelte sie mit einem betörenden Blick, „dann bin ich mit
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