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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft
Autoren: Horst Biernath
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Liberal-Demokraten....Jagt die Konkubine aus dem Fürstenbett. .Sie kennen doch das Revolutionslied? Ich hörte es 1918 komischerweise wieder, als es in Deutschland zwar noch ein paar Fürsten, meines Wissens aber herzlich wenig Konkubinen gab...“
    „Ja, er gehörte auch zu den Lieberal-Demokraten. Er war Zimmermann — man konnte von ihm nichts anderes erwarten.“
    „Oh!“ rief Mr. Fullard und schmunzelte, „Sie brauchen Ihren Urgroßvater nicht dafür zu entschuldigen, daß er nicht konservativ war! Diese Liberalen, was waren das doch damals für brave, schneeweiße Lämmer!“
    „Nun, so schneeweiß war mein Urgroßvater gerade nicht“, meinte Wilhelm Ströndle ermutigt; „er befestigte einen Feuerwerkskörper — einen sogenannten Kanonenschlag — an einem sehr unpassenden Ort, um den Bürgermeister von Heilbronn für seine konservative Gesinnung zu bestrafen. Das Ding ging auch los, aber leider erschreckte der Knall nicht den Bürgermeister, sondern dessen völlig unschuldige Frau. Sie fiel in Ohnmacht, aber mein Urgroßvater glaubte, sie getötet zu haben. Und deshalb floh er.“
    Mr. Fullard riß sein Monokel vom Auge: „Hören Sie!“ rief er lachend, „das ist ja eine köstliche Geschichte. Der Lordschatzkanzler wird sich totlachen, wenn ich sie ihm erzähle. Ein Kanonenschlag unter dem Lokussitz... wunderbar! Ihr Urgroßvater wird mir immer sympathischer! Diese Geschichte können Sie doch nicht der Öffentlichkeit vorenthalten! Aber sie ist nichts für Bronze!“ Er lachte, daß ihm eine Träne über die Wange lief, und Wilhelm Ströndle lachte, von seiner Heiterkeit angesteckt, fröhlich mit. „Und dann floh er also“, sagte Mr. Fullard schließlich und betupfte sich die Wangen und klemmte das Einglas wieder vors Auge, „und ließ seine beiden Kinder — wie waren doch gleich die Namen?“
    „Jacob und Barbara Ströndle!“
    „Richtig! er ließ also die beiden Kinder in Heilbronn zurück. Wann war nun seine Ehefrau Barbara Ströndle eigentlich gestorben?“
    „Weshalb gestorben, Mr. Fullard? Sie lebte, als er floh, und sie ist, wenn ich mich nicht irre, hochbetagt erst in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gestorben. Allerdings unter einem anderen Namen. Denn als mein Urgroßvater verschollen blieb, ließ sie ihn im Jahre 1859 für tot erklären und heiratete einen Dorfschulmeister namens Rollenhagen.“
    Er sah zwar, daß Mr. Fullard bei diesen Eröffnungen leicht zurückprallte, aber er konnte es sich nicht erklären, weshalb er ihn so merkwürdig ansah: „Haben Sie für diese Tatsachen in den Dokumenten, die Sie mir übergeben haben, auch Unterlagen?“
    „Ja“, antwortete Wilhelm Ströndle, „für den Tod meiner Urgroßmutter und auch für die zweite Eheschließung. Und natürlich auch für die Todeserklärung meines Urgroßvaters. Das Gericht entschied, daß mein Urgroßvater, dessen Jacke man am Ufer des Neckars fand, bei seiner Flucht in dem Fluß ertrunken sei.“
    Mr. Fullard erhob sich und stützte sich mit den Knöcheln seiner knotig geäderten Hände auf die Schreibtischplatte. Sein Adlerkopf mit dem grauen Scheitel und der schmalen, scharfen Nase beugte sich über das Aktenbündel, das die ferneren Schicksale des Konquistadors Johannes Chrysostomus Ströndle enthielt. Und ein wenig abgehackt, als teile er grausame Schnabelhiebe aus, sagte er: „Das ist sehr unangenehm für Sie, Herr Ströndle, außerordentlich unangenehm und von folgenschwerer Bedeutung. Ihr Urgroßvater hat also, während er in Deutschland noch verheiratet war, die Maharani von Japore vor einem christlichen Priester geheiratet. Das ist Bigamie! Und damit entfällt natürlich jeder Erbanspruch seiner Nachkommen auf ein Vermögen, auf das bei dieser Sachlage nur noch der Freistaat Japore Ansprüche erheben kann. Denn ob Johannes Chrysostomus Ströndle Privatvermögen besessen hat, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor, und es wäre auch nicht ratsam, darum etwa einen Prozeß anzustrengen. Es tut mir leid, Herr Ströndle, Ihnen das sagen zu müssen — aber Sie haben sich umsonst nach London bemüht.“
    Wilhelm Ströndle hatte das Empfinden, von einem furchtbaren Hieb niedergestreckt zu werden. Als die Taxe vor dem Hotel hielt, besann er sich dunkel darauf, daß man ihm ein Glas Wasser gereicht hatte, von dem ihm die Hälfte in den Kragen geflossen war. Mr. Fullard und Mr. Scrub hatten ihn gemeinsam aus dem Hause und auf die Straße geführt und im Taxi verfrachtet, einen
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