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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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Wirklichkeit und zig Male in Gedanken unternommen. Er hat die kleinste Kleinigkeit berücksichtigt, Risiken und Zufälle kalkuliert, Varianten und Alternativen durchgespielt, erwogen und wieder verworfen, bis er sich endlich für den Plan entschieden hat, nach dem er heute vorgehen wird. Zehn Jahre hat er auf diesen Tag gewartet - und jetzt ist er gekommen.
    Beim Frühstück ist er nervös. Er trinkt Kamillentee, um den Magen zu beruhigen. Dabei blättert er in der Zeitung, legt sie jedoch bald wieder zur Seite: Er ist viel zu aufgedreht, um auch nur die Schlagzeilen zu lesen. Als er mit dem Frühstück fertig ist, holt er die Sporttasche mit den Patronenschachteln aus dem Keller und schiebt sie in den Laderaum des Kombis. Er geht zurück ins Haus, holt die Pistole und schnallt sich vor dem Badezimmerspiegel ein Schulterholster unter die linke Achsel. Er steckt die Schußwaffe hinein, zieht sie wieder heraus und zielt auf sein Spiegelbild. Dann schiebt er den Schlitten vor und zurück. Eine Patrone klickt in die Kammer. Diesen Bewegungsablauf vollführt er noch mehrere Male, bis er zufrieden ist. Er zieht einen schwarzen Rollkragenpullover an und mustert sein Spiegelbild. Die Konturen der Pistole zeichnen sich deutlich ab. Wer etwas von Waffen versteht, wird merken, daß er eine trägt. Aber dieses Risiko muß er eingehen. Schließlich zieht er ein Tweed-Sakko darüber an, und nun sieht das Ganze schon besser aus. Die leichte Ausbeulung, die die Pistole verursacht, könnte auch von einer Brieftasche herrühren.
    Die Waffe ist eine Glock 17 C. Die Glock ist eine vollautomatische Pistole aus Österreich mit einem Magazin für siebzehn Patronen. Sie liegt gut in der Hand, wiegt geladen nur siebenhundert Gramm und zeichnet sich durch einen leichten Abzug und eine hohe Treffsicherheit aus. In der Hand eines guten Schützen stellt die 17 C eine außergewöhnlich gefährliche Waffe dar. Ein normaler deutscher Polizist hat ihr nichts Vergleichbares entgegenzusetzen. Die Glock verschießt die 9-Millimeter-Parabellum-Patrone. Dies ist die am meisten benutzte Patrone der Welt. Es gibt sie in zahllosen Geschoßvarianten. Findet die Polizei Parabellum-Munition am Tatort, dann tut sie sich schwer, diese mit einer bestimmten Waffe in Verbindung zu bringen. Nach vielen Beschießungen wissen die Ballistiker des Bundeskriminalamtes durchaus, mit welcher Waffe welches Projektil abgefeuert wurde, aber das kann lange dauern und es hält die Ermittlungen auf.
    Als er mit dem Sitz des Holsters zufrieden ist, schnallt er eine lederne Messerhalterung um seine rechte Wade, öffnet die Klettverschlüsse und schiebt ein langes Messer hinein. Er federt einige Male auf den Zehen auf und ab. Darüber zieht er eine Stretch-Hose aus Polyamid und blickt prüfend an seinem rechten Bein hinunter. Das Messer ist nicht zu sehen. Er schlüpft in Lederschuhe von Clarks mit Gummisohlen, die elegant aussehen, mit denen man jedoch laufen kann wie mit Sportschuhen. Einen letzten Blick in den Spiegel quittiert er mit einem Kopfnicken.
    Im Auto überprüft er nochmals, ob er wirklich alles eingepackt hat: Schlafsack, Isomatte, eine Thermosflasche mit heißem Kaffee, Mineralwasserflaschen, Gummihandschuhe, Aspirin und Koffeintabletten, Äpfel und belegte Brote, einen Karton mit Energy Drinks, eine Schachtel mit Schokoriegeln, eine lederne Reitpeitsche, zwei Paar Handschellen, ein kräftiges Nylonseil, einen alten Fahrradschlauch, einen Gummiknüppel aus dem US-Army-Store, eine Rolle blauer Müllsäcke, zwanzig Flaschen Abflußfrei, einen Wecker, zwei Zeitschaltuhren, einen Akkuschrauber und eine Stirnlampe.
    Es ist alles da. Er stellt eine zweite Sporttasche mit frischer Unterwäsche, Trainingsanzug und Kulturbeutel in den Kombi, und dann hat er das Gefühl, reisefertig zu sein.
***
    Kurz nach neun Uhr vormittags biegt er aus seiner Einfahrt in die Straße ein. Er steigt noch einmal aus, um das Garagentor zu schließen. Als er wieder im Auto sitzt, schaut er fast eine Minute auf das Haus mit dem großen, verwilderten Garten und den knotigen, von Flechten bewachsenen Obstbäumen, gegen die der Westwind mit Schnee vermischte Regenschauer treibt. Er denkt daran, daß Florian dieses Haus nie gesehen hat, obwohl es auch in diesem Haus ein Kinderzimmer für ihn gibt. Dieses Haus am Wald und in Sichtweite der Brauerei ist gewiß nicht das, was er Florian gerne hinterlassen hätte, aber da er Florian nichts vererben wird, ist es egal, wo er jetzt wohnt.
    Die
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