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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench
Autoren: Christa S. Lotz
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Junge biss hinein, um sich von der Echtheit zu überzeugen. Auf ein Zeichen von ihm hin setzten sich die anderen in Bewegung, schauten sich noch einmal vorsichtig um und stoben davon. Tomasio machte eine leichte Verbeugung zu Angelina hin.
    »Darf ich Euch beide nach Hause geleiten, Signorina?«
    Angelina betrachtete ihn einen Augenblick lang. Er war nicht nur gut und zurückhaltend gekleidet, auch der Blick aus seinen Augen war sanft. Sie verstand nicht mehr, dass sie sich von ihm abgestoßen gefühlt hatte. Ihm konnte sie gewiss vertrauen. War er nicht ein Geschäftsfreund ihres Vaters? Als hätte er ihre Gedanken erraten, meinte er:
    »Ich hatte gestern die Ehre, Euren Vater in meinem Laden beim Dom zu sehen.«
    »Das ist Euer Laden?«, fragte Angelina.
    »Ja, und meine Familie hat dadurch großen Einfluss in der Stadt gewonnen. Wie Ihr vielleicht wisst, stamme ich von einem ländlichen Adelsgeschlecht ab.«
    Warum erzählte er ihr das? Sie schlug vor, nach Hause zu gehen. |32| Er nahm ihren Arm. Mit ihm würde sie nicht noch einmal angehalten werden. Als sie vor dem Haus der Girondos ankamen, ließ Tomasio ihren Arm los und sagte:
    »Wann immer Ihr ein Kleid braucht, Signorina Angelina, so kommt zu mir. Ich habe die besten Schneider der Stadt zu meiner Verfügung.« Hatte er geahnt, dass Francesco ihr vorgeschlagen hatte, ein anderes Kleid für das Porträt anzulegen?
    »Ich werde vielleicht einmal darauf zurückkommen, Signor Tomasio«, antwortete sie
.
»Jetzt danke ich Euch für die Begleitung und wünsche einen schönen Tag.«
     
    Die Mutter empfing die beiden mit herabgezogenen Mundwinkeln.
    »Wo seid ihr so lange gewesen?«, fragte sie.
    »Bei Francesco Rosso, dem Maler«, gab Angelina zurück. »Das wisst Ihr doch, Frau Mutter.«
    »Und ich war bei dem Gemüsehändler!«, quiekte Clementina freudig. »Er hat gesagt, ich kann jederzeit wiederkommen, wenn Angelina bei dem Maler ist.«
    Die Augen von Lukrezia Girondo verengten sich.
    »Was hast du gesagt, Clementina? Du warst gar nicht in der Werkstatt?«
    »Doch, schon …«
    Die Mutter baute sich mit ihrer ganzen Fülle vor Angelina auf, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Du hast deine Schwester weggeschickt, um mit dem Maler allein zu sein? Sag mal, schämst du dich nicht? Was habt Ihr zusammen getrieben?«
    Angelinas Wangen röteten sich, als hätte sie jemand geschlagen.
    »Er hat mich in meinem Mantel gemalt, so wahr ich hier stehe und so wahr mir Gott helfe«, sagte sie mit einem Laut, der wie ein Aufschluchzen klang.
    »Ich werde es deinem Vater berichten, Angelina. Das nächste Mal werde ich dir eine der Mägde mitgeben, denn wir können den Auftrag nicht widerrufen, da dein Vater schon zu viel Geld hineingesteckt |33| hat. Wird er auch gebraucht haben, der arme Mann, dein Maler.«
    Angelina hatte es gewusst.
    »Jetzt geh in deine Kammer und warte, bis das Abendbrot serviert wird«, schloss die Mutter unfreundlich, nahm Clementina an der Hand und rauschte davon. Beim Abendessen sprach der Vater über die Ereignisse im Dom, und die Kinder hielten sich die Nase zu, als die Rede auf den Esel kam.
    »Was soll nur daraus werden, was soll aus uns allen werden?«, rief Signora Girondo und erhob die Arme zur Decke.
    »Es kommt darauf an, wie wir uns verhalten«, meinte ihr Gatte ungerührt. »Wenn wir gegen Savonarola protestieren, ist das schlecht für die Geschäfte. Und auch für unser Ansehen. Ach, wenn mein Freund, Lorenzo der Prächtige, noch leben würde! Damals war alles besser.«
    »Palle, palle, palle!«
, quietschte Clementina, und ihr Bruder Rodolfo fiel ein:
»Palle, palle, palle!«
    Ihre Mutter drohte mit dem Zeigefinger: »Lasst das nur niemanden in der Stadt hören!«, mahnte sie. »Es könnte euch übel bekommen!«
    »Wer war eigentlich der junge Herr, der euch zu unserem Haus geleitet hat?«, fragte der Vater.
    »Habt Ihr ihn nicht erkannt, Herr Vater? Das war Tomasio Venduti, der gestern bei unserer Feier zugegen war. Er hat den
Fanciulli
ein paar Dukaten gegeben, damit sie uns nicht verprügeln.«
    »Das war aber sehr ehrenvoll von ihm«, warf die Mutter ein. »Der wäre doch auch passend …« Sie räusperte sich.
    »Habt Ihr schon vergessen, dass gestern ein Mord in unserem Landhaus geschehen ist?«, rief Angelina aus. »Und zwar wurde der Mann, den Ihr für mich ausgesucht hattet, nicht von Wegelagerern erschlagen, sondern mitten in unserem Garten hinterrücks erstochen! Habt Ihr Euch eigentlich Gedanken darüber gemacht, wer das
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