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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone
Autoren: Elizabeth Chadwick
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etwas, Adelis umklammerte Wills freie Hand und wirkte mit einem Mal sehr ernst.
    »Es kommt mir wie Verrat vor«, flüsterte Adeliza, aber sie wusste, dass es keinen anderen Weg gab. Mühsam erhob sie sich von der Bank und hielt sich aufrecht, als der Wind die Segel blähte und zwischen Landesteg und Schiff ein breiter Streifen milchig grünen Wassers entstand. »Ah, Jesu!«, keuchte sie.
    »Nur Mut!« Matilda war augenblicklich an ihrer Seite, stützte sie und schüttelte sie leicht. »Sie sollen dich nicht weinend und einem Zusammenbruch nahe in Erinnerung behalten. Du warst die Königin meines Vaters und bist noch immer die deines Mannes. Enttäusche ihn nicht. Vergiss niemals, dass du noch immer eine Krone auf dem Kopf trägst, hörst du? Niemals!«
    Die Worte trafen sie wie ein Schlag. Adeliza bot ihre letzte Kraft auf, straffte sich und hob als Abschiedsgruß eine Hand, als sie plötzlich einen Moment lang das Gewicht eines schweren Reifs auf der Stirn spürte und wusste, dass es keine irdische Krone war. Sie fragte sich, ob die am Ufer Zurückgebliebenen sie gleichfalls sahen. Es hatte den Anschein, denn Adelis zeigte aufgeregt auf sie, blickte zu Will auf, zupfte an seinem Ärmel und redete eifrig auf ihn ein.
    Adeliza blieb stehen, bis sie außer Sicht waren. Dann verließen sie ihre Kräfte, und sie sackte auf dem Deck in sich zusammen. Ihre Zofen eilten zu ihr und brachten sie zu dem im Heck errichteten provisorischen Unterstand. Matilda schickte sie weg und sagte, sie würde sich selbst um Adeliza kümmern. Sie wusch ihr das Gesicht mit Rosenwasser ab, rieb ihre Hände, hüllte sie in warme Pelze, während sie darüber nachdachte, was sie im Laufe der Jahre alles erreicht und verloren hatten, als sie beide von einem jungen Mädchen zu einer Frau mittleren Alters herangereift waren.
    »Habe ich mich gut gehalten?«, fragte Adeliza, ohne die Augen zu öffnen.
    »Ja, das hast du.« Matilda schluckte.
    Adeliza sagte nichts mehr, aber aus ihren Augenwinkeln rannen Tränen und sickerten in die Kissen.
    Der Wind frischte auf, als die Galeere den Kanal hinunter und auf das offene Meer hinaussegelte. Matilda ließ Adeliza allein und ging hinaus, um lange das sich entfernende Ufer zu betrachten. Sie würde nie mehr zurückkehren. England war jetzt das Königreich ihres Sohnes, um das er kämpfen musste. Sie hatte getan, was sie konnte. Sie hatte viele Fehler gemacht, aber auch stets gegen eine verschlossene Tür gehämmert, durch die sie nur hindurchgelangte, wenn sie versehentlich offen gelassen worden war. Ihre Frustration und das Gefühl der Hilf losigkeit schlugen in Erleichterung um, als das Land zum Horizont wurde und dann ganz verschwand. Ihre Augen wurden von dem angestrengten Starren trocken und begannen zu brennen. Abrupt drehte sie sich um und ging zu Adeliza zurück.
    Durch den warmen Wind streifte das mit Gänseblümchen durchsetzte Gras den Saum der dunklen Benediktinerkutte, als Brian den Pfad von der Kapelle des heiligen Adrian zum Ufer des Sees auf der Westseite der Insel hinunterging. Es war Brutzeit, und die ulkigen Papageientaucher mit ihren leuchtend gestreiften Schnäbeln, deren Flug durch die kurzen Flügel so unbeholfen wirkte, kamen über das Meer zurück, um Nester zu bauen, Eier zu legen und ihre Jungen großzuziehen. Sie gaben eine gute Mahlzeit ab, aber Brian hatte heute keine Lust, Fallen aufzustellen, und außerdem war das Bruder Anselms Aufgabe.
    Bald nach der Ankunft der Vögel trafen Pilger von nah und fern ein, um in der Kirche zu beten, Almosen zu verteilen und sich Verdienste für den Himmel zu erwerben. Die Mönche kümmerten sich zwischen den Gottesdiensten um sie und stellten ihnen Essen, Wasser und Schlafstätten zur Verfügung. Einige Pilger badeten wie er im See, weil sie an die heilende Kraft des Wassers glaubten.
    Am Ufer angelangt legte Brian seine Kutte und seine Albe ab, zog die Schuhe aus und watete in der kühlen Mailuft fröstelnd in das eisige Wasser. Die Kälte traf ihn wie ein Messer stich und verschlug ihm den Atem, wirkte aber zugleich belebend. Er zog den Kopf ein und bespritzte sich wieder und wieder mit Wasser, bis er sich an die Temperatur gewöhnt hatte. Als das Wasser ihm bis zum Kinn reichte, blieb er stehen, um zu beten.
    Seit er vor zwei Monaten auf die Insel gekommen war, suchten ihn die furchtbaren Träume seltener heim. Er wachte nur noch alle vier Nächte in kaltem Schweiß gebadet auf und verspürte nicht mehr den Zwang, das härene Hemd unter
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