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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone
Autoren: Elizabeth Chadwick
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seiner Kutte zu tragen. Das tägliche Eintauchen in das klare, eisige Wasser des Sees hatte die Wunden und Schwären geheilt, und es tat gut, sich gereinigt zu fühlen. Jeden Tag war das Bad eine Bestätigung seines neuen Lebens, während sich sein altes Leben Schritt für Schritt entfernte – es war wie eine sich ständig wiederholende Taufe. Mitte des Sommers würde er seine Gelübde ablegen und Brian FitzCount, den Lord von Wallingford, abstreifen wie einen zerschlissenen Umhang.
    Endlich stieg er aus dem Wasser, rieb sich mit dem rauen Handtuch ab und kleidete sich wieder an. Als er seinen Gürtel schloss, fiel sein Blick auf die braunen Tintenflecken an Daumen und Zeigefinger. Noch nicht einmal das Wasser des Sees konnte sie auslöschen. Seine Lippen krümmten sich zu einem leisen Lächeln, das sofort wieder verschwand. Wenn er seinen täglichen Pflichten nachgekommen war und seine Gebete gesprochen hatte, würde er ihr einen Brief schreiben und ihn diesmal nicht verbrennen … und dann war er endgültig frei.

56
    Le Petit-Quevilly, Rouen, Herbst 1148
    Die Blätter hatten begonnen, sich zu verfärben und die Welt in Schattierungen von Hellbraun, Bernsteingelb und einen weichen blassen Goldton zu tauchen. Kein Lüftchen rührte sich, der Himmel war tiefblau, und die Sonne spendete einen Rest sommerlicher Wärme. In Rouen, in der Herzogsresidenz von Quevilly hatte Matilda eine Besprechung mit ihrem Mann und ihrem ältesten Sohn anberaumt, die sich nun dem Ende zuneigte.
    Geoffrey stand auf und streckte sich, um seine verkrampften Muskeln zu lockern. In den Jahren ihrer Abwesenheit war er von einem jungen Adonis zu einem Mann in der Blüte seiner Jahre herangereift. Er kehrte bald nach Anjou zurück, um sich mit einigen rebellischen Vasallen zu befassen, während Henry in der Normandie blieb, um seine Rückkehr nach England mit frischen Truppen und Vorräten vorzubereiten, wo er den Kampf um seine Krone fortsetzte. Matilda fungierte sowohl als Regentin der Normandie als auch als verwalterisches und diplomatisches Verbindungsglied zwischen ihren Ländern. Sie würde von Rouen aus regieren und außerdem gute Beziehungen zu der Kirche pflegen, um so größtmöglichen Einfluss auf die Geistlichkeit auszuüben.
    Geoffrey machte eine allumfassende Geste.
    »Du hast also vor, dich hier niederzulassen«, sagte er.
    Matilda erwiderte seinen Blick mit hochgezogenen Brauen. »Ich beabsichtige ganz sicher nicht, nach Anjou zurückzukehren.«
    Er lächelte schief. »Gut, ich gedenke nämlich auch nicht, dich darum zu bitten. Ich meinte, hier in Quevilly, wie du sehr wohl weißt.«
    »Liegt die Antwort nicht auf der Hand?«
    Noch immer lächelnd schüttelte er den Kopf. »Als du nach England gegangen bist, habe ich dich schmerzlich vermisst. Heute schäme ich mich nicht mehr, das zuzugeben. Niemand bietet mir so die Stirn wie du. Keine andere Frau kämpft bis ins Bett mit mir und gibt so viel, wie sie empfängt.« Bei der Erinnerung leuchteten seine Augen auf. »Ich habe dich nicht ein einziges Mal übertrumpft, selbst wenn ich es mir eingebildet habe. Jetzt kann ich ohne Zorn auf diese Zeit zurückblicken. Was zählt, ist allein die Zukunft.«
    Sein Eingeständnis brachte sie ein wenig aus der Fassung, weil sie mit einer bissigen Bemerkung gerechnet hatte. Stattdessen hatte er ihr gewissermaßen ein Kompliment gemacht und betrachtete sachlich ihr Verhältnis. Er brauchte das Ansehen, das ihm die Ehe mit ihr verschaffte, um sich in seiner Welt zu behaupten, und ihr Selbstvertrauen wuchs, als ihr klar wurde, dass sie für ihn wichtiger war als umgekehrt.
    »Ich werde dafür sorgen, dass es dir an nichts fehlt«, fuhr Geoffrey fort. »Wenn du etwas brauchst, musst du es nur sagen.«
    »Hättest du mir in den vergangenen Jahren doch einmal so ein großzügiges Angebot gemacht«, erwiderte sie giftig.
    Er nahm ihre Hand und küsste ihren Ehering und dann ihren Mund so hart, dass ihre Lippen prickelten, obgleich sie trocken blieben. »Du enttäuschst mich nicht einmal jetzt.« Er lächelte. »Immer nur der Stachel, nie der Honig.« Mit diesen Worten ging er hinaus. Als Matilda ihm nachsah, empfand sie einen kurzen Anflug von Bedauern, der aber nicht länger anhielt als der Widerhall seiner Schritte auf dem Gang.
    Henry hatte sich während ihres Gesprächs mit Geoffrey etwas abseits mit ein paar Rittern unterhalten. Sie rief ihn zu sich. Er ließ seine Gefährten stehen, kam zu ihr herüber und verbeugte sich
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