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Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Autoren: Christopher Brookmyre
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immer mit Leichtigkeit abgewehrt hatte.
    Auch er wusste es. Nach all ihrer gemeinsamen Zeit konnte er es genauso wenig übersehen haben, wie sie es hätte verbergen können. Sie streckte die freie Hand nach seinem Gesicht aus, aber er schob sie mit einer Leichtigkeit am Handgelenk weg, die diese halbherzige Geste aus Pflichtgefühl als solche enttarnte.

    Stewart seufzte enttäuscht und zwang sie quasi zum Nachfragen.
    Angeliques Körper erschlaffte, und sie spürte, wie auch seinen jede Energie verließ.
    »Warum guckst du so?«, fragte sie und gab sich keine Mühe, ihren eigenen Ärger zu überspielen.
    »Ich merk doch, dass du nicht richtig bei der Sache bist.«
    »Wieso, nur weil du oben bist?«
    »Du weißt schon, was ich meine.« Stewart verlagerte das Gewicht auf einen Ellenbogen und rollte von ihr runter. Er setzte sich auf und stützte sich mit der rechten Hand ab. »Wenn du mir nicht alles gibst, können wir’s doch gleich lassen.«
    »Kränkt dich das zu sehr in deiner Mannesehre?«
    »Nein, aber ich weiß, dass wir dann beide nur unsere Zeit verschwenden.«
    Da hatte er wohl recht. Auch Angelique setzte sich auf und wischte sich die nassen Haare aus der Stirn. »Tut mir leid. Ich steh immer noch ein bisschen neben mir. Hatte eigentlich gehofft, dass mich das hier wieder auf Touren bringt. Dass ich den Kopf frei bekomme, wenn ich mich auf was rein Physisches konzentriere.«
    »Kann ich verstehen. Das hab ich selbst ein paar Mal so gemacht, aber bei dir klappt’s wohl grad nicht. Mir kommt’s vor, als ob du zur Hälfte ganz woanders bist.«
    »Ein ganz schöner Teufelskreis. Ich dachte, ich könnte hier mal die ganze Scheiße vergessen, aber mit mir ist hier nichts anzufangen, weil ich die ganze Scheiße nicht vergessen kann.«
    »Am besten arbeitest du in der Situation mal in Ruhe an deiner Kata.«
    »Wenn man schon nicht vögeln kann, kann man ja wenigstens wichsen, meinst du?«
    Stewart lachte. »Vornehm ausgedrückt, wie immer, aber ja. Vielleicht ist es besser, wenn du dich nur auf Form und Bewegung konzentrierst, auf die Grundlagen; und du musst dir dabei nicht um jemand anderen Sorgen machen. Wenn du lange genug dranbleibst, kannst du dich immerhin verausgaben. Ich hab danach meistens ’nen klaren Kopf.«
    »Danke. Aber ich glaub, ich lass es lieber. Heute ist mit mir nichts mehr anzufangen. Tut mir leid.«
    »Man kann’s nicht erzwingen.«
    »Und du? Bist du …«
    »Ich geh noch ein bisschen an den Sandsack. Auch wenn du nur halb da warst, hast du meine Tritte abgewehrt, als hätte ich Beine aus Balsaholz.«
    »Ich wehre nicht ab …«
    »›Du lenkst nur um‹, ich weiß. Das hast du mir schon tausendmal gesagt, aber schneller bin ich davon auch nicht geworden.«
    »Du hast mir immer noch nicht so ganz das Training verziehen, als du dir das Schlüsselbein gebrochen hast, oder?«
    Stewart lächelte verlegen und legte instinktiv die Hand an den einst verletzten Knochen. »Mir hab ich nicht verziehen, dass ich wie ein Nashorn auf einen Kolibri losgegangen bin. Ich hab meine Lektion gelernt, aber die Theorie ist immer noch einfacher als die Praxis.«
    Angelique hätte den ganzen Tag unter der Dusche bleiben können. Schlechtes Zeichen. Das war die Pufferzone zwischen den Geisteszuständen, die genauso dem Aufschieben wie dem Waschen diente. Hier konnte man sich Zeit lassen, die erhöhte Alarmbereitschaft herzustellen, die gleich gefragt sein würde, hier konnte man ein paar Minuten mal nicht daran denken. Manchmal wünschte sie sich, sie könnte in dieser Schutzstarre verharren, besonders in dem ersten Moment, wenn sie das warme Wasser angedreht hatte und es ihr durch die Haare und den Rücken hinunterlief.
    Glücklich war sie dabei aber nie.
    Selbst wenn sie sich etwas vorspielte – sich belog, alles abstritt – konnte sie sich hier nicht vor sich selbst verstecken, hier würde sie sich immer erwischen. Angelique war widerstandsfähiger als die meisten anderen Leute. Sie hatte eine starke Disziplin und nur geringe Reserven an Selbstmitleid. Sie konnte in der Öffentlichkeit ihre Rolle spielen und so viele Leute überzeugen, dass es ihr gut ging, bis sie es selbst fast glaubte. Wie ein Boulevard-Redakteur, der sich die Ergebnisse einer Telefonumfrage aus manipulativen Fragen ansah. Wenn die Dusche ihr wie ein Zufluchtsort vorkam, an dem sie auf unbestimmte Zeit bleiben wollte, konnte sie nur ein psychologisches Leiden diagnostizieren, das die medizinischen Fachzeitschriften »total kaputt«
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