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Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Autoren: Christopher Brookmyre
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ging er wieder hinein, atmete tief durch und zog es weg.
    Sofort umwaberten ihn Milliarden Fliegen, die bei ihrem All-you-can-eat-Fressfest unter dem Laken gestört worden waren. Er schloss die Augen und schlug um sich, damit er wenigstens einpaar Tausend abwehrte. Er war schon stolz auf sich gewesen, dass er den Würgereiz hatte unterdrücken können, als er die Tür geöffnet hatte, aber dafür, dass er auch jetzt noch sein Abendessen unten behielt, verdiente er einen Pokal. Der Gestank wurde schlimmer, begleitet vom relativ harmlosen, aber nichtsdestoweniger widerwärtigen Gefühl, dass ihm mehrere Dutzend Insekten durch die Haare krabbelten.
    Nach ein paar Sekunden Gefuchtel ließ der Luftangriff etwas nach, als sich die meisten der Fliegen wieder ans Buffet setzten, und Harry traute sich, die Augen aufzumachen.
    »Ach du Scheiße.«
    Es sah aus, als wäre der Rest von Nunez in den Mixer gesteckt worden. Das Bett war von oben bis unten voller fauliger Fleischmasse, aus der hier und da Knochen und Organe herausschauten. Am ehesten war noch die Lunge zu erkennen, von der größenbedingt nach dem Angriff des Fressgeschwaders Beelzebub noch am meisten übrig war. Ansonsten war kaum zu sagen, welcher der verschiedenen Klumpen im Fliegengewimmel mal was gewesen war, zumal anscheinend die Haut fehlte. Waren das auch die Fliegen gewesen, oder …? Scheiße, wer wollte das eigentlich wissen?
    Harry hatte im Laufe seiner Karriere schon ein paar harte Sachen gesehen, aber das hier war etwas ganz anderes. Das sah nach richtiger Serienmörder-Psychoscheiße aus. Dann setzte reflexhaft die Routine ein: Harry tastete die Wildlederjacke ab, bis er Nunez’ Portemonnaie gefunden hatte. Die Kreditkarten und ein paar kleinere Scheine steckten noch drin, aber hinter dem Plastikfenster fehlte der Führerschein.
    Standardprozedur, wenn man einen Mord nachweisen musste.
    »Arschloch.«
    Jemand war ihm zuvorgekommen. Um mehrere Tage.
    »Lass es schlimm aussehen.«
    Alessandro. Der hinterhältige, kleine Scheißer hatte den Auftrag von Anfang an weitergegeben. Vielleicht hatte er Harry deshalb nach Vancouver schicken wollen – weil er schon jemanden in Hermosillos hatte. Der Wichser!

    Aber warum wusste dann keiner davon? Warum hatten sie ihn erst heute Nachmittag angerufen? Harry war zwar kein Pathologe, aber er hatte genug gesehen, um zu wissen, dass Nunez schon mindestens zwei Tage lang tot war. Was hatte Martinez noch gesagt? »Nunez hat Feinde.« Harry hatte angenommen, dass sich der Plural auf die Estobals bezog, aber vielleicht waren sie nicht die Einzigen, die Nunez verarscht hatte.
    Scheiße.
    Naja. Auf jeden Fall war der Job erledigt, und das war fürs Erste das Wichtigste. Er würde jetzt seine Polaroidbilder knipsen und dann endlich aus diesem Dreckloch abhauen. Er war ein bisschen ernüchtert. Das war das Problem mit dem freien Markt. Er wusste, dass er gut in seinem Job war – jeder mag doch das Gefühl, etwas Besonderes zu sein – aber so etwas wie das hier erinnerte ihn daran, dass er global gesehen eigentlich auch nur eine von vielen Nutten an einer verdammt langen Straße war.

I
All your bank are belong to me
    Gib einem Menschen eine Maske,
dann sagt er die Wahrheit.
     
    Oscar Wilde

So much for the Afterglow
    Angelique schmeckte Schweiß auf der Zunge, als sie ihm die Handfläche an die Brust presste. Er war ihm von der Oberlippe getropft, ihr Mund war nur ein paar Zentimeter darunter, und sie teilten dieselbe heiße, verbrauchte Luft; vielleicht waren sie auch so nah beieinander, dass sie den Atem des anderen einsogen. Ihre Füße waren an den Knöcheln ineinander verhakt, die Sehnen strafften sich, als die beiden sich aneinanderdrückten. Angeliques Fersen und Schulterblätter bildeten vier schmale Plattformen, als sie sich aufbäumte und ihr gemeinsames Gewicht vom Boden hob. Einen Moment hielten sie inne, und ihre Blicke zuckten zwischen den Augen des anderen und ihren verschlungenen Körpern hin und her, als würden sie sich beide versichern, dass der andere verstand, was da zum ersten Mal zwischen ihnen passierte.
    Sie ergab sich; hatte sich ergeben. Sie war verwundbar gewesen, das wusste sie, aber sie hatte sich trotzdem selbst dazu entschieden, sich zu so einem Zeitpunkt auf so etwas einzulassen. Sie war abgelenkt gewesen, geschwächt durch ihr langsam nachlassendes Selbstvertrauen. Und dann war es passiert: Endlich hatte er ihre Verteidigungslinien durchbrechen können, nachdem sie solche Versuche bisher
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