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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig
Autoren: zu KLAMPEN
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Held«, entgegnete die Kommissarin und gab das Zeichen.
    Dass alles, was man von oben betrachtete, so viel schrecklicher wirkte, als würde man, auf der sicheren Erde stehend, in die
     Höhe blicken! Ihre Hände hielten die Brüstung umklammert, der Mann an der Hydraulik übertrieb es mit der Rücksichtnahme. Aber
     aufwärts ging es, der Menschenfleck in den Holzstreben bekam Konturen, Beine, sogar |269| Arme, obwohl die um die Streben geklammert waren. Zuletzt trennten sie noch drei oder vier Meter.
    Karl sagte: »Wenn ich das nächste Mal springe, warte ich, bis Sie nach Hause gefahren sind.«
    »Die Polizei ist eine große Krake, das wissen Sie doch. Schlag einen Kopf ab, und zwei Planstellen wachsen nach.«
    Sie studierte ihn, so gut es bei dem dämmerigen Licht ging. Bloß nicht nach unten sehen, diese Insekten konnten unmöglich
     erwachsene Menschen sein.
    Karl sagte: »Von mir hören Sie kein Wort.«
    »In Ordnung. Wenn wir unten sind, knalle ich dir eine. Ich bin so ungeheuer wütend, du machst dir ja keine Vorstellung.«
    »Lass mich raten: Jugend wegwerfen, nichts aus dem Leben machen. So etwa?«
    »So etwa.«
    Sie fürchtete sich vor dem Moment, in dem er ihr schildern würde, wie er Bordon getötet hatte. Wenn er so hoch begabt war,
     wie alle behaupteten, würde er auch eine Seite besitzen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte.
    »Ihr solltet mich einfach in Ruhe lassen«, sagte Karl. Er schien nicht getrunken zu haben. Ob andere Drogen im Spiel waren,
     ließ sich nicht erkennen.
    »Entschuldige, aber da muss ich lachen. Kletterst auf den spektakulärsten Turm zwischen Hamburg und Hannover und beschwerst
     dich, dass das nicht unbeachtet bleibt.«
    »Ich wollte das schon seit Jahren machen. Ich dachte immer, ich hätte noch Zeit. Aber weil ich nun keine mehr habe, kann ich
     leider nicht auf die Öffnungszeiten Rücksicht nehmen.«
    |270| »Karl, bitte! Rede endlich. Die da unten werden nicht ewig so ruhig bleiben.«
    Es war das, was sie befürchtet hatte. Kassian hatte Bordon umgebracht, Karl wusste es oder ahnte es und konnte damit nicht
     leben. Woher er es wusste? Er hielt sich bedeckt und tat doch sicher. Kassian war an dem Abend in der Hütte gewesen. Er hatte
     in der WG erzählt, wie es dort ausgesehen hatte: Blut, Bordon, Chaos, Panik, Entsetzen, ein Raum voller Grauen.
    »Wir reden mit ihm«, sagte die Kommissarin. »Vorher ist nichts bewiesen. Gar nichts.«
    »Sie reden, wie Sie reden müssen. Ich handle, wie ich handeln muss. So sind wir beide froh und glücklich.«
    Er hatte sich auf das Gespräch eingelassen, wirkte nicht fahrig und unberechenbar. Aber sie traute ihm zu, mitten im Satz
     loszulassen und zu fallen.
    »Karl, es ist nicht zu Ende. Ich kenne das. Du glaubst, alles ist entschieden und bewiesen, und im nächsten Moment zieht eine
     Wolke vor und du fängst von vorne an. Lassen Sie uns unsere Arbeit tun. Danach können Sie tun, was Sie nicht lassen können.
     Jetzt ist es Irrsinn. Unter deinem Niveau.«
    Er lachte.
    »Das hatte der alte Mann auch drauf. Immer an meine Talente appellieren. Als wären die nicht der Grund für den ganzen Scheiß.
     Viele Möglichkeiten zu haben, ist nicht so toll, wie die meisten glauben. Ein bisschen einfältig sein, nur ein bis zwei Wege
     kennen – damit kommt man viel bequemer durchs Leben.«
    »Karl!«
    Eines der Insekten auf dem Boden hatte den Ruf ausgestoßen. |271| Karl blickte mit einer Ruhe nach unten, als seien es bis dahin keine fünf Meter. Dabei waren sie 20 Meter über dem Erdboden.
    »Hallo Killer!«, rief Karl.
    Kassian schwenkte die Arme und rief: »Ich werde dir alles erzählen. Ich lasse nichts aus! Du wirst es sehen.«
    »Er wiederholt sich«, sagte Karl zur Kommissarin. »Alte Leute sagen alles fünfmal.«
    »Du solltest ihm die Chance geben. Ihr beide. In aller Ruhe. Vielleicht geht heute, was ihr bisher nicht geschafft habt.«
    »Wieso denn das, bitte schön?«
    »Weil ihr beide Angst habt. Weil es jetzt nichts mehr nutzt zu lavieren. Wir wissen Bescheid. Noch nicht alles, aber es ist
     nur noch eine Frage von ein paar Stunden. Wenn ihr jetzt nicht redet, braucht ihr nie mehr zu reden. Dann reden wir beide,
     und du wirst dich ärgern, dass du nicht mit dem alten Mann geredet hast, als dafür noch Zeit war.«
    »Und jetzt ist Zeit, meinst du?«
    »Jetzt oder nie!«
    »Klingt ziemlich kitschig.«
    »Das hat die Wahrheit manchmal so an sich.«
    »Ich werde ihn quälen.«
    »Tu das, was du am besten kannst. Aber
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