Die Hoehle der Traenen
herbeirufen.
Immerhin waren die Windgeister verschwunden.
»Ihr dürft nicht in meiner Nähe bleiben«, hatte er ihnen gesagt, als sie ihn nach diesem grauenhaften Flug wieder abgesetzt hatten. »Die Männer des Kriegsherrn werden euch sonst sehen, und nach Einbruch der Dunkelheit bin ich verletzlich.«
»Hab keine Angst, Mensch«, hatte einer der Windgeister erwidert. »Wir werden dich beschützen.«
Saker schüttelte den Kopf. »Gegen eine Armee von Bogenschützen könnt ihr mich nicht beschützen, und die werden sie gegen mich einsetzen, wenn sie mich aufspüren. Ich werde euch herbeirufen, sobald ich euch wieder brauche.«
»Und wir werden schmausen!«, kreischten die Windgeister.
»Das werdet ihr«, stimmte Saker ihnen zu. Der Gedanke daran, dass sie nicht nur die Körper, sondern auch die Seelen ihrer Opfer verschlingen würden, ließ es ihm speiübel werden. »Aber jetzt müsst ihr los.«
»Wir werden in sicherer Entfernung Wache halten«, sagte der Windgeist. »Und wir werden bereit sein, wenn Ihr uns braucht, Herr.«
Dann waren sie lachend und kreischend in den Himmel hinaufgeströmt.
Wie er so in der Dunkelheit der Mühle lag, kam sich Saker ganz klein und irgendwie zu jung für diese Aufgabe vor. Vielleicht sollte er den Geist seines Vaters erwecken. Ihn anrufen: Alder, Sohn von Snipe. Vielleicht sollte er sein Blut fließen lassen, um seinen Vater zurückzurufen, um Alder Kraft zu verleihen, damit er, Saker, sich in seine Arme werfen konnte …
Aber er war zu schwach. Schon jetzt hatte er eine Menge
Blut gebraucht, um die Geisterarmee zu erwecken, damit diese ihn vor dem Kriegsherrn schützte. Und wenn er ehrlich war, wusste er auch, dass sein Vater eher die nächste Schlacht planen als ihn in die Arme nehmen würde.
Und sein Vater hatte Recht, das wusste Saker. Er musste einen Plan schmieden.
Sein Ziel war Turvite. Diese Stadt, die Acton ausgeplündert hatte, wollte er einnehmen. Doch dieser eine Tag, an dem sie ergebnislos an die massiven Türen und Mauern von Bonhill gehämmert hatten, hatte ihm bewiesen, dass es eines langen, sehr langen Kampfes bedürfen würde, um eine Stadt einzunehmen. Und er konnte es sich nicht leisten, jede Nacht ungeschützt zu sein. Ein einziger Mörder, und der ganze große Plan von Rückforderung und Rache wäre vereitelt.
Er musste eine Möglichkeit finden, die Geister lebendig zu halten. Bis ihr Werk vollendet war.
Ash
»Du kannst nicht dem Lauf des Flusses folgen«, sagte Ash.
»Wie komme ich dann zum Treffpunkt?«, fragte Flax überrascht und unsicher.
»Mein Vater wird dich dorthin bringen«, sagte Ash. Nachdem der Lotse erklärt hatte, dass sie beide allein gehen würden, hatte er diesen Plan entworfen. Rowan würde Flax zu Ashs Mutter Swallow mitnehmen, dann würden die drei gemeinsam nach Sanctuary reisen. Das würde bedeuten, dass Ash diese erste Begegnung nicht würde mit ansehen müssen, die Begeisterung seiner Mutter über Flax’ Stimme, ihr erstes gemeinsames Lied … Ash fragte sich, ob er deshalb so schnell das Angebot des Lotsen angenommen hatte.
Aber nein. Wenn es einen schnelleren Weg nach Sanctuary gab, dann musste er ihn einschlagen. Er schaute sich in der Lichtung um, wo sich die anderen Männer, nun wieder in ihrer ursprünglichen, menschlichen Gestalt, in vergnügter Stimmung anzogen und aßen. Sie waren keine Dämonen mehr, sondern Sänger und Musiker, die sich miteinander über ihre Kunst unterhielten. Ash schnappte Bruchstücke einer Melodie auf, als einer der Männer – es war Skink, der Anführer – eine Flöte aus seiner Tasche zog und auf ihr zu spielen begann. Es war ein Lied der Morgenröte, das den Tag begrüßte, das gleiche, das Flax im Golden Valley für ihn gesungen hatte.
Eine Bassstimme nahm die Töne auf, und eine Tenorstimme fiel dazu ein. Es war nicht die von Flax, sondern die eines älteren Mannes, ohne den reinen Klang von Flax’ Stimme, aber mit einer reicheren Klangfarbe. Sowohl Ash als auch Flax hielten inne, um zuzuhören.
Hinauf steigt die Sonne am frühen, frühen Morgen,
Am frühen, frühen Morgen,
Bei der frühen Dämmerung.
Hinauf schwingt sich die Lerche im ersten Licht des Tagesanbruchs,
Das erste Licht des Tagesanbruchs,
Wenn das Gold das Grau verdrängt.
Die Stimmen schlangen sich umeinander und hallten prächtig von den Klippen wider. Als sie verklungen waren, begannen die Männer ein Gespräch über das Lied, die am besten dafür geeigneten Instrumente, die zeitliche Festlegung des
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