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Einst herrschten Elfen

Titel: Einst herrschten Elfen
Autoren: James Barclay
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Nur in Harmonie können wir bauen. Nur im Vertrauen können wir unsere Bestimmung erfüllen.
     
    A uf den letzten fünf Meilen hatten sie ständig unter Beobachtung gestanden. Sildaan hatte es gespürt, doch nicht einmal ihr war es gelungen, die Krieger zu entdecken. Die anderen, die sie mitbrachte, hatten bisher überhaupt noch nichts bemerkt. Sie machten sich keine Vorstellung von dem Risiko, das sie eingingen. Natürlich nicht. So waren die Menschen eben. Aufgeblasene Fremde, die viel auf ihre Stärke und Macht gaben. Dummköpfe waren sie, die nur noch lebten, weil Sildaan bei ihnen war.
    Dennoch hatte sie ihr Leben praktisch in deren Hände gelegt. Sie seufzte leise. Hier, kurz vor dem Heiligtum des Regenwaldes, als sie bereits den majestätischen Tempel des Yniss in Aryndeneth erblickten, schien dies eine völlig lächerliche Entscheidung zu sein.
    Die gewaltige grüne und goldene Kuppel erhob sich mehr als siebzig Schritte und ruhte auf einem kreisrunden Steinfundament. Kuppel und Wände wiesen zahlreiche Buntglasfenster auf, durch welche das Licht in allen Farben des Regenbogens nach drinnen fiel. Auf jedem Stein der Mauer war eine von Yniss’ Gaben als Inschrift verewigt: das Licht, das Wasser, die Tiere, die Pflanzen und die Mineralien. Vor dem mächtigen, mit Eisenbändern verstärkten Portal führte ein Weg über den großzügigen, mit Platten ausgelegten Vorplatz und weiter hinaus in den Wald.
    Auf diesem in Stein gemeißelten Weg blieben sie nun stehen, die dreißig Menschen, die Sildaan hergeführt hatte, und starrten offenen Mundes den Tempel an. Anfangs bemerkten sie nicht einmal die Neun, die auf dem Vorplatz standen.
    Neun TaiGethen. Drei Zellen der Elitekrieger Yniss’, des Vaters des Elfenvolks. Die Zelle, die sie beobachtet hatte, war bereits zu den anderen beiden zurückgekehrt. Sie hatten sich die Gesichter mit grüner und brauner Tarnfarbe angemalt und trugen Kleider, die mit dem Waldboden verschmolzen. Im Schatten des Blätterdachs waren sie praktisch unsichtbar.
    In solch einer Situation war Sildaan ihnen noch nie begegnet. Es war beunruhigend, wie reglos sie dort standen. Die Schwerter steckten in den Scheiden, die sie sich auf den Rücken geschlungen hatten, die Taschen mit den Jaqrui-Wurfsternen waren fest geschlossen. Vielleicht zeigten sich die Menschen deshalb so sorglos. Für diese Unwissenheit konnte Sildaan sie nur bedauern. Ein TaiGethen brauchte keine Waffe mit einer Klinge, um jemanden zu töten.
    »Halt, Priesterin Sildaan«, sagte Myriin. »Die Menschen dürfen diesen Tempel nicht entweihen.«
    Schuldgefühle durchfuhren sie wie ein böser Messerstich. Sie nahm sich zusammen. Was sie hier tun wollten, duldete keinen Aufschub. An diese Gewissheit klammerte sie sich, als könnte ihr der Gedanke jederzeit entfliehen, über dem Blätterdach davonwehen und ihren ganzen Mut mitnehmen.
    »Myriin.« Sildaan neigte den Kopf und legte die Finger an die Stirn. »Es sind ungewöhnliche Zeiten. Yniss möge mir verzeihen, dass ich derzeit mit dieser Gesellschaft vorliebnehmen muss.«
    Myriin zog die Augenbrauen um eine Winzigkeit hoch. »Ungewöhnlich, das kann man wohl sagen. Wir haben bemerkt, dass du nicht gezwungen wurdest herzukommen. Gerade so, als hättest du dich aus freien Stücken dazu entschlossen. «
    »Das trifft auch zu«, bestätigte Sildaan, worauf die TaiGethen sich zornig regten. »Denn wir haben keine Wahl.«
    »Niemals wird es so weit kommen, dass die Elfen an der Seite der Menschen stehen. Diese hier haben nun Aryndeneth erblickt. Damit hast du sie dem Tod geweiht. Warum?«
    »Sie sterben nicht durch deine Hand«, erwiderte Sildaan leise. »Sie werden bleiben. Der Tempel braucht mehr Schutz, als sogar du ihm gewähren kannst.«
    Darauf knurrten die TaiGethen wie aus einer Kehle. Hinter Sildaan merkten die Menschen auf, tasteten nach den Schwertgriffen und flüsterten Worte, die sie nicht verstand.
    »Seid keine Narren«, zischelte Sildaan in der Menschensprache. »Mit den Klingen könnt ihr sie nicht besiegen.«
    »Ich kann meine Leute nicht wehrlos lassen«, erwiderte ihr Anführer Garan.
    Sildaan warf ihm einen scharfen Blick zu. Der Mann stand vor seinen Untergebenen und dicht hinter ihr. Er war hässlich, das Kinn war mit krausem Haar bedeckt. Wie die anderen war er mit den Blessuren und Blasen übersät, die eine Wanderung durch den Regenwald mit sich brachte. Sildaan hätte ihnen helfen können, hatte sich aber dagegen entschieden. Es war eine passende
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