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Einst herrschten Elfen

Titel: Einst herrschten Elfen
Autoren: James Barclay
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sie uns nicht in Ruhe lassen?«
    Serrins Blick verriet, wie besorgt er war. Bereits vor fünfzehn Jahren, schon vor der Ankunft der Flüchtlinge von Hausolis, hatten sie die ersten Segel gesichtet. Menschen. Sie hatten Freundschaft versprochen und nach Verrat und Täuschung gestunken. Man hatte sie gewarnt, ja nicht den Wald zu betreten. Anscheinend konnten sie nicht hören.
    »Wir erreichen sie, lange bevor sie in Aryndeneth eintreffen«, meinte Auum. »Die Fährte ist noch frisch, und sie kommen nur langsam voran. Sie schleppen zu viel Gewicht mit sich herum.«
    Auum folgte der Fährte. Der Tag war schon halb vorüber, es hatte unablässig geregnet. Der Boden hatte sich mit Wasser vollgesogen, die Blätter des grünen Baldachins reckten sich nach oben und fingen Gyals Tränen auf, wie sie vom Himmel fielen. Unten auf dem Boden war es düster. Banyanbäume, Balsabäume, Feigen, Lianen und Ranken drängten sich auf der Erde. Aus niedrigen, dichten Büschen sprossen Ableger, deren Stränge den achtlosen Fuß zum Straucheln brachten. Viel zu viel war abgehackt worden. Die Eindringlinge hatten einen Pfad freigeschnitten, der breit genug war für drei Wanderer nebeneinander.
    Auum knurrte, es wurde Zeit.
    Serrin zog einen kleinen Tontopf aus dem Beutel, den er am Gürtel trug. Das Gefäß war mit einem Deckel und einem Lederriemen verschlossen. Er öffnete es und tauchte zwei Finger der rechten Hand hinein. Ohne das Gesicht zu heben, rieb er sich weiße Farbe über Wangen, Nase und Stirn und massierte sie in jede Pore ein.
    Auum beobachtete ihn einen Augenblick und bewunderte die Aufmerksamkeit, mit welcher der Schweigende jede gemessene Bewegung ausführte. Dann trug er seine eigene Tarnung auf. Die braune und grüne Farbe kühlte die Haut und verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Auum sandte ein Gebet an Yniss und bat darum, dass der Gott ihm die Hände führen und die Sinne schärfen möge. Als er fertig war, bemerkte er, dass Serrin seinerseits nun ihn beobachtete. Mit leidenschaftlich funkelnden Augen und grellweißem Gesicht nickte der Priester.
    »Jetzt jagen wir.«
     
    »Weiter, das war nichts.« Haleth kratzte sich durch die Lederrüstung am Schwertarm. »Nur eins dieser kleinen schweineartigen Tiere.«
    »Ein Tapir«, sagte Arshul, der klapperdürre Meuchelmörder.
    Haleth zuckte mit den Achseln. »Wenn du meinst.«
    »Nein«, widersprach ein anderer. Er hieß Herol und nannte sich Einauge. »Ich habe etwas gesehen. Ganz kurz nur, und es war weiß wie ein Gespenst.«
    »Ich hab’s auch bemerkt«, warf Rissom ein, der große stiernackige Rachmane.
    Seit dem Stich irgendeines grässlichen Insekts litt er unter Fieber. Damit war er beileibe nicht allein, aber wenigstens jammerte er nicht ständig, obwohl ihm die Nase lief und ein Ohr übel aussah. Haleth schnitt eine Grimasse.
    »Na schön, du hast etwas gesehen. Herzlichen Glückwunsch. Aber jetzt wollen wir weitergehen. Es sei denn, du willst dein Gespenst jagen, bis dich eine Schlange oder ein Frosch mit Gift tötet oder sich die Insekten unter die Haut graben. Der Tempel ist immer noch einen Tagesmarsch entfernt. Aber damit du dich beruhigst: Herol, lass dich zwanzig Schritt zurückfallen und nimm drei andere mit. Rissom, du bewachst mit zwei Leuten die rechte Flanke. Kuthan, du gehst mit zwei Kämpfern nach links. Bleibt in Sichtweite und ruft, sobald ihr etwas Ungewöhnliches bemerkt. Keiner spielt hier den Helden, klar? Dieses Land ist gefährlich. Und jetzt weiter.«
    Haleth ging voran und hackte die dicken Ranken ab, die an der Kleidung und im Gesicht haften blieben. Dicke Zweige griffen tief von den Bäumen herab und packten sie, ganz unten legten die verdammten Wurzeln Fangschlingen, über die sie stolperten. In Balaia blieben die Wurzeln unter der Erde, wie es sich gehörte. Haleth verfluchte den Regenwald von Calaius, den zähen Schlamm, auf den sie allenthalben stießen, und die verdammten Insekten. Warum hatte er nur eingewilligt, hierher zurückzukehren?
    Sein Gesicht war völlig zerstochen, obwohl die Elfen, die ihr Schiff in Empfang genommen hatten, ihnen Salben und Tränke gegeben hatten. In Armen und Beinen saßen unzählige Insektenlarven. Anscheinend gab es im Tempel etwas, um diese Verletzungen zu heilen. Ein Blatt von einer Pflanze, die in diesem Teil des Regenwaldes nicht gedieh. Es war ausgesprochen bösartig, wenn Insekten unter der Haut schlüpften und sich vom Fleisch eines Menschen ernährten. Haleth schauderte und kratzte sich wieder
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