Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
Vom Netzwerk:
würde sie sich in den nächsten Jahren noch nicht wagen - auch wenn ihr dies zunehmend schwerer fiel.
    »Ihr solltet die Langmut und das Wohlwollen des Lieben Gottes nicht zu sehr strapazieren«, hatte Pater Winfried gemahnt, als Alberta ihn mit der Absicht konfrontierte, ausgerechnet der bayerischen Landeshauptstadt einen Besuch abstatten zu wollen. »Unter den Höflingen mag es durchaus welche mit scharfen Augen geben, denen Eure Ähnlichkeit mit dem Geheimrat und Hexenkommissar Rupert zu Mangfall-Pechstein auffallen könnte - und die vielleicht imstande wären, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.«
    So musste Alberta wohl noch einige Zeit auf ihren Herzenswunsch verzichten, wieder Münchner Boden zu betreten. Zu ihrem eigenen Erstaunen hatte sie nun doch eine gewisse Sehnsucht nach der Stadt, die ihr so lange eine zweite Heimat war, entwickelt. Mit der Zeit verblassten auch all die an ihre dortigen Tätigkeiten gebundenen, negativen Erinnerungen.
Was blieb, waren die positiven Bilder und Eindrücke, zum Beispiel jenes tiefe Föhnblau, das an manchen Tagen über der Stadt lag und das Alberta immer ganz berauscht im Kopf gemacht hatte …
     
    In diesem Augenblick meldete ein Diener die Ankunft des Hausherrn und Donna Bertina vergaß ihre »adlige Würde« und rannte mit geschürzten Röcken wie ein Bauernmädchen aus dem Salon und die Treppe hinunter in die Halle, wo gegenüber dem Eingang ein wunderbares Gemälde von Albrecht Dürer hing: Junge Venezianerin hieß das Meisterwerk und sooft Alberta daran vorüberging, musste sie daran denken, wie sie ihren Gemahl kennengelernt hatte.
    Die junge Frau warf sich in die Arme ihres geliebten Mannes.
    Don Enzo wirbelte seine Gemahlin herum. Das Paar hatte sich sechs lange Wochen nicht gesehen, denn der Graf hatte seinen älteren Bruder in der Steiermark aufgesucht, der sich nach einem schweren Jagdunfall nur sehr schleppend erholte.
    »Schön, wieder daheim zu sein«, rief der Conte, »und Euch gesund, fröhlich und munter vorzufinden, Amore mio.« Dann blinzelte er geheimnisvoll. »Ihr werdet Augen machen, sobald Ihr seht, wen ich Euch als Weihnachtsüberraschung mitgebracht habe, Cara«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    »Ich habe nämlich einen kurzen Abstecher nach München gemacht«, gestand er leise, »und mit Maximilians ausdrücklicher Erlaubnis einen guten alten Bekannten mitgenommen, damit er wegen seiner schmerzenden Gelenke dem unfreundlichen, bayerischen Winter entfliehen kann!«
    Die Contessa war ebenso perplex wie hocherfreut, als der unerwartete Gast hinter einer Säule beinahe schüchtern hervortrat: Es war kein anderer als Maximilians Hofnarr!

    Der kleine Herr war dieses Mal nicht in sein übliches buntes Narrengewand gekleidet, sondern in einen pflaumenblauen Seidenanzug mit schneeweißem Rüschenhemd, ebensolcher Halskrause und schwarzen Stiefelchen. Mit gütigem und dennoch mitten ins Herz dringendem Blick musterte Herr Wölfflein die schlanke Gestalt der Contessa.
    Schwungvoll schwenkte er seinen mit Federn geschmückten Hut vor der vornehmen Dame. Als diese sich zu ihm hinunterbeugte, um ihn auf die Wange zu küssen, flüsterte er ihr augenzwinkernd zu: »Weiß Euer Gemahl schon davon, dass Ihr erneut Mutter werdet, Bella?«
    »Nein, lieber Freund! Das werde ich ihm erst heute Abend verraten, sobald wir alle vor der Weihnachtskrippe stehen«, flüsterte Alberta ebenso leise und lächelte dabei still vor sich hin. Dass man vor dem Herzog nichts geheim zu halten vermochte, war ihr nur zu gut bekannt; aber wie es aussah, konnte man nicht einmal vor Maximilians Hofnarren etwas verbergen …
    Voll Wärme sah sie zu, wie ihre beiden vier- und zweijährigen Söhne Federico und Enzo ihren Vater stürmisch begrüßten.
    Ihr Leben war in Ordnung, endlich. Von dem fernen Gewittergrollen im Nordosten, das einen der längsten und grässlichsten, jemals auf deutschem Boden geführten Kriege ankündigen sollte, war glücklicherweise noch so gut wie nichts zu vernehmen. Wer interessierte sich hier schon für jemanden, der in Prag aus einem Fenster stürzte?
    Nein, für die ehemalige Hexenadvokatin von München bestand kein Anlass, mit ihrem Schicksal unzufrieden zu sein. Längst hatte sie auch ihrem Vater vergeben, dass er ihr einst ihre Jugend geraubt hatte. Albrecht hatte ihr geholfen zu verstehen, dass ihre Eltern nur das Beste für sie und für die Familie
erstrebt hatten. Und schließlich hatte sie auch ein wenig davon profitiert: Letztlich war ihr durch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher