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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin
Autoren: Karla Weigand
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wichtiger war, dass ihr letzter Coup gelungen war, wie es den Anschein hatte: die Befreiung der harmlosen alten Kräuterfrau und Wehmutter und ihrer jungen, noch reichlich unerfahrenen Enkeltochter, die erst von der Großmutter in die Geheimnisse der pflanzlichen Arzneikunde und Geburtshilfe eingeführt werden sollte.
    »Diese Aufgaben werden sie auf dem Schloss meines Vaters in aller Ruhe übernehmen können«, dachte Alberta hoffnungsvoll. Ihr Vater würde die beiden Frauen unter seine Fittiche nehmen und dieses Mal dafür Sorge tragen, dass sie kein übereifriger Hexenjäger der Justiz auslieferte - so wie einst mit der unglücklichen Freda von Hoferichter geschehen.

    Kurz darauf kam die Gräfin an ihrem Stadtpalais an. Ihr Pferd, das während der Aussprache mit dem Herzog von Soldaten trockengerieben und gefüttert wurde, hatte man ihr beim Verlassen der Residenz selbstverständlich wieder übergeben - genauso wie den zuvor konfiszierten Degen.
    »Den Freudentag, an dem ich dieses Mordinstrument endgültig beiseitelegen kann, werde ich in Zukunft alljährlich als meinen zweiten Geburtstag feiern«, nahm sie sich, innerlich jubelnd, vor. Eigentlich hatte sie die todbringende Waffe immer gehasst.
    Morgen würde sie München verlassen - möglicherweise für immer. Damit konnte sie leben. Im Augenblick glaubte sie keineswegs, Sehnsucht nach Bayerns Landeshauptstadt zu empfinden. Vielleicht kam das später.

EPILOG
    24. Dezember 1618, im Castello di Fiori, bei Lucca
     
    ENTZÜCKT BLICKTE SICH Donna Bertina, die schöne Schlossherrin, um. Sämtliche Wohnräume hatte sie von den Dienerinnen festlich schmücken lassen. Über den Türen hingen Bündel von Mistelzweigen und über die Möbel wanden sich Girlanden aus grünen Stechpalmenzweigen mit roten Beeren, während auf der langen Tafel im Speisesaal kleinere Kränze aus frischem Tannengrün, verziert mit roten Schleifen, prangten.
    Ihr Gemahl, Albrecht Enzo di Maradonna-Hochfelln, als Hochzeitsgeschenk in den Grafenstand erhoben und nun ein Conte , hatte sie extra in Österreich besorgen lassen, um seiner geliebten Gemahlin eine Freude zu machen.
    Das Prunkstück des Salons war allerdings eine Tiroler Weihnachtskrippe, die eine ganze Ecke des großen Saales einnahm und deren Figuren ein wahrer Meister im Handhaben des Schnitzmessers im Grödnertal angefertigt hatte. Inzwischen interessierten sich auch einige andere Adlige sowie ein paar hohe Geistliche für diese spezielle Art der Erinnerung an das wunderbare Geschehen im Heiligen Land.
    Der »Stall von Bethlehem« war ein üppig ausgestatteter Miniaturwohnraum - eher einem Zimmer in einem vornehmen Patrizierhaus ähnelnd, denn einem schlichten Viehunterstand. Die Vorderwand fehlte, damit man ins reich dekorierte Innere hineinschauen konnte.
    Die in ein blau schillerndes Festkleid mit schmaler Taille,
weißem Spitzenkragen und enganliegenden Ärmeln gehüllte Contessa entnahm einer mit Sägespänen gefüllten Kiste die Figuren von Maria und Josef und stellte sie mittig in der Krippe auf. Flankiert wurde das heilige Paar - gekleidet wie Edelleute - von einem Ochsen, einem Esel und einer Schar Schafe. Die Tiere nahmen sich zwar seltsam aus in dem vornehmen Interieur, aber wen störte das?
    Zuletzt bettete Donna Bertina das niedliche, nackte Jesuskind in eine ebenfalls fein geschnitzte Futterkrippe, gefüllt mit Stroh.
    »Basta«, sagte sie zu dem neben ihr gebückt stehenden Pater vom Orden der Benediktiner. »Sobald mein Mann endlich da ist, können wir richtig Weihnachten feiern! Halb nach italienischer Manier mit viel Gesang, Tanz und Gelächter und halb in deutscher Tradition: Besinnlich und geruhsam.«
    »Ja, Contessa«, meinte der in den vergangenen sechs Jahren recht alt und faltig gewordene Pater Winfried und grinste schelmisch. »Und auch ein bisschen nachdenklich, nicht wahr? Erinnert Ihr Euch noch an Euer erstes Weihnachtsfest in Italien als Studiosus Jurisprudenciae? «
    »Wie könnte ich das je vergessen, Pater? So lange ist das jetzt schon her; und was ist in dieser Zeitspanne nicht alles geschehen … Gütiger Herrgott! Zweimal habe ich das Geschlecht gewechselt. Jetzt bin ich über fünf Jahre verheiratet mit dem besten Mann der Welt und in einem guten halben Jahr werde ich zum dritten Male Mutter!«
    »Dann seid Ihr beinah schon dreiunddreißig Jahre alt, meine Tochter«, sinnierte der alte Mönch vor sich hin.
    »Ich weiß, das ist nicht mehr ganz jung fürs Kinderkriegen, Padre. Aber wie bei den
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