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Die Hexe von Hitchwick

Die Hexe von Hitchwick

Titel: Die Hexe von Hitchwick
Autoren: Angela Gaede
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knackte?
Als Kind waren die Geschichten über die Hexe gruselig gewesen. Mit dem Älterwerden kam die Einsicht, dass es nichts weiter als Märchen waren. Da draußen war nichts, vor dem sie sich fürchten musste, außer vielleicht so manchem Trunkenbold, der seine Hände nicht bei sich behalten konnte.
Sie atmete tief durch und beruhigte sich wieder. Ihre Augen wurden schwer und immer schwerer. Das Blinzeln kam in kürzeren Abständen. Langsam breitete sich die Schwere in ihrem ganzen Körper aus, ihre Gliedmaßen wurden zu Steinen. Der Schlaf rief nach ihr und Eve folgte ihm nur zu bereitwillig. Noch ein letzter Wimpernschlag, dann würden sich ihre Augen für die Nacht schließen. Doch dieser Wimpernschlag, dieser kurze Augenblick des noch Sehens, riss sie aus den Armen Morpheus.
Die Augen geweitet, den Atem anhaltend, starrte sie auf das Fenster.
Ein Schatten, ein tiefschwarzer Schatten, so groß wie ein Mensch, hatte vor ihrem Fenster gestanden.
Er hatte dort nicht gestanden, er konnte dort nicht stehen, ihr Zimmer lag im oberen Stock.
Er musste geschwebt sein.
Nun jedoch war er weg, oder war er niemals dagewesen?
Sie horchte in die Nacht. Das Einzige, was sie vernahm, war das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren.
„Das ist nicht möglich. Es gibt keine Hexen“, flüsterte sie sich zu.
Ihre Gedanken überschlugen sich, machten sie nicht ruhiger, sondern nervöser. Ihre Augen, die Müdigkeit, die Gedanken, sie mussten ihr einen Streich gespielt haben.
Ganz gewiss, nur ein Trugbild.
Es war Wind aufgekommen und hatte die Äste so heftig bewegt, dass dieser merkwürdige Schatten entstanden war. So und nicht anders musste es gewesen sein.
Kälte schlich sich unter ihre Decke, kroch in ihre Knochen. Ein leises Bibbern schüttelte ihren Leib. Sie zog die Knie an, stopfte die Enden der Decke unter ihren Körper, nicht nur um sich vor der Kälte zu schützen. Für einen kurzen Augenblick war eine Erinnerung in ihr aufgekeimt.
Nachtängste eines Kindes.
Für den Fall, es könnte ein Geist unter ihrem Bett leben, der sie nachts in sein Reich mitnehmen wollte, hatte sie die Decke immer um die Füße gelegt. Wenn kein Fuß herausguckte, konnte er ihn auch nicht packen und mit sich schleifen.
Nur ein Aufblitzen dieser Angst hatte gereicht, gleich einem Kind wickelte sie sich in die Decke.
Es war dumm, es war albern, es half ein wenig. Das Frösteln ließ nach, der Schreck verblasste.
Es war spät, sie musste Schlaf finden. Sie rutschte wieder hinab, vergrub ihren Kopf im Kissen und schloss die Augen. So konnten sie keine Trugbilder mehr erschrecken.
Da war etwas!
Eve hatte die Augen geöffnet, ein Reflex, wie das Anheben des Kopfes.
Ein Flüstern. Ihr Name in gehauchten Worten.
Vielleicht ihre Mutter, die etwas brauchte, einen schlechten Traum gehabt hatte.
Stille!
Ihre Mutter hätte wiederholt gerufen, sofort und lauter. Doch alles war still, blieb still.
Eve senkte den Kopf und schloss die Augen. Ihr Atem kam in Stößen der Beunruhigung.
Alles nur Einbildung, alles nur Phantasie. Immer und immer wieder sagte sie in Gedanken diese Worte. Ein Gebet, eine Schutzformel des Wissens und des Verstandes.
Etwas stand neben ihr.
Sie konnte es deutlich spüren. Die Verdichtung der Luft, die Anwesenheit eines festen Körpers. Es stand neben ihrem Bett, ganz sicher.
Nur ein Zwinkern, ein leichtes Zucken mit den Augenlidern und Eve hätte Gewissheit. Sie konnte es nicht, sie konnte ihre Augen nicht öffnen. Solange sie es nicht sah, war es auch nicht real. Und wenn sie es nicht sehen konnte, dann konnte es sie auch nicht sehen.
„Eve.“
Deutlich, ein Flüstern, ganz nahe. Gewiss nicht die Stimme ihrer Mutter. Nicht der strenge Ton des Ermahnens. Eher ein Säuseln. Ein Wort, ein Name, geflüstert, wie ein Versprechen.
In Eves Brust hämmerte ihr Herz mit der Wucht eines Schmiedehammers. Ihr Körper kribbelte vor Anspannung.
Verzweifelt versuchte sich Eve auf etwas Unbedeutendes, etwas Natürliches zu konzentrieren. Das Angst geschwängerte Blut schoss durch ihren Körper und vertrieb alles, was nicht seinem Kern entsprang.
Irgendwo musste etwas Neutrales sein. Sie dachte an die Sonne, den Sonnenaufgang. Bis zu den ersten Strahlen des neuen Tages musste sie nur durchhalten. Der Tag würde jeden Alb vertreiben.
Etwas veränderte sich im Zimmer. Es war weg, stand nicht mehr neben ihrem Bett. Ein Moment des Wartens, dann erst keimte die Sicherheit in ihr auf, dass sie völlig allein war. Zögernd
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