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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Thiel
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die zwei Türme des Peterstores erreichten, fielen die ersten
Schneeflocken. Ruhig legten sie sich über die hellbraunen Zinnen oder schmolzen
in der Nähe des offenen Feuers, das die Hessen gelegt haben mussten. Die Zugbrücke
war heruntergelassen worden, und das Eisengitter stand offen. Kein Soldat der Stadtwache
hielt hier mehr die Stellung. Uniformierte Leichen säumten den Weg aus Kempen hinaus.
Sie mussten noch lange Widerstand geleistet haben. Der volle Mond ließ das frisch
gefallene Weiß glitzern und überdeckte den modrigen Schlamm und den Dreck der Felder.
Hauchzart war die Schicht aus Schnee und verursachte bei jedem ihrer schnellen Schritte
ein leichtes Knarren. Die vier hetzten weiter auf das kleine Wäldchen zu.
    »Du weißt, wo sie sich versteckt hält?«, wollte Ratte atemlos wissen.
    »Im Wald«, stieß Lorenz gepresst hervor.
    Das Klirren ihrer Waffen zog sich wie der zarte Wind über das ganze
Feld, und allmählich hörten sie das Gebrüll der Stadt nicht mehr. Nur ihre schnelle
Atmung und das monotone Poltern ihrer Säbel erfüllte noch ihre Ohren. Dutzende Zelte
waren neben dem Wassergraben errichtet worden. Einige Söldner wärmten sich am Feuer
und schmausten Köstlichkeiten aus der Stadt. Die Freunde jagten weiter. In wenigen
Minuten hatten sie den Rand des kleinen Wäldchens erreicht. Lorenz kamen sie wie
Stunden vor. Hektisch suchte er den sich schlängelnden Pfad nach Silberkraut ab,
das ihm den Weg zum kleinen Weiher leuchtete. Schnell wurde er fündig.
    »Seid rasch, aber leise«, befahl er seinen Freunden.
    Sofort legten sie ihre Hände über die Waffen, um jedes Geräusch zu
vermeiden. In gebückter Haltung schlichen sie unter knorrigen Ästen durch und an
hohen, blattlosen Sträuchern vorbei. Als er das riesige Feuer erblickte, das ihnen
hell durch die Bäume entgegenloderte, gaben seine Knie für einen Moment nach. Nein
… bitte nicht, schoss es ihm durch den Kopf. Noch einmal beschleunigte er seinen
Schritt und näherte sich der Lichtung von der hinteren Seite. Auf einer kleinen
Anhöhe stoppten sie und legten sich flach auf den Hügel.
    »Da ist sie.«
    Lorenz’ Blick fiel auf den großen Hüter des Weihers, an dessen Fuß
ein Scheiterhaufen errichtet worden war. Mehrere Ellen groß türmte sich das Holz
um den Baum herum. Es war bereits an mehreren Stellen angefeuert worden und pustete
dichten, dunklen Rauch dem Himmel entgegen. Drei Dutzend Bewohner befanden sich
mit Fackeln hinter der Eisfläche und brüllten Tillmann entgegen, der vor ihnen mit
gereckter Faust und heiserer Stimme auf und ab marschierte. Sie jubelten, klatschten,
schrien auf ihn ein. Dann erblickte Lorenz sie.
    Gehalten von mehreren Männern, ihre Hände auf
den Rücken gebunden, stand Antonella da. Der Schein der Flammen spiegelte sich auf
ihren feuchten Wangen. Mehrere blaue Flecken waren an Hals und Armen zu sehen und
auch auf ihrer Stirn funkelte ein Rinnsaal getrockneten Bluts dunkelrot. Lorenz
stockte der Atem bei ihrem Anblick.
    »Sie ist verloren«, sagte Maximilian ruhig, während er seine Hand auf
die Schulter seines Bruders legte.
    Doch Lorenz hörte seine Worte nicht. In einer Bewegung schnellte er
hoch und hielt seine Muskete den Dorfbewohnern entgegen. Maximilian versuchte vergebens,
ihn noch festzuhalten. Allein schritt er die kleine Anhöhe hinunter auf die Menschen
zu. Mehr und mehr von ihnen verstummten und blickten ihn aus hasserfüllten Augen
an. Alle, bis auf Antonella.
    »Lorenz«, formten ihre Lippen seinen Namen.
    Eilig hatten sich auch seine Freunde um ihn geschart. Unsicher schwenkten
sie die Mündungen ihrer Waffen über die Gruppe.
    »So seht!«, schrie Tillmann ihnen mit weit aufgerissenen Augen entgegen.
Seine helle Stimme, die pochende Ader an seiner Schläfe, das Feuer in seinen Augen.
Er hatte nichts mehr gemein mit dem Geistlichen, dessen Messen sie besucht hatten.
    »Euch hat dieser Sukkubus also auch verführt. Euch alle! Fehlgeleitet
hat sie euch, ihr, die ihr hier steht, um des Teufels Hure zu retten.«
    Lorenz und Tillmann funkelten sich an. Nur wenige Ellen trennten die
beiden, als Lorenz seine Muskete mitten auf das Gesicht des Pfarrers richtete.
    »Lass sie gehen!«
    Tillmann ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Erst zogen sich die Mundwinkel
nach oben, dann lachte er. Schrill und laut übertönte es das Rumoren und die Drohungen
der Bewohner, die nur schwerlich von den Freunden in Schach gehalten werden konnten.
    »Wir werden sie nicht gehen lassen, mein junger
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