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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Thiel
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zu.
    »Tu mir das nicht an, Lorenz.« Marta sank langsam auf die Knie. In
den letzten Stunden hatte sie so viel geweint, dass ihre Augen nun blutrot waren.
    »Tu das nicht. Ich flehe dich an, geh nicht. Bleib einfach hier.«
    Als er seine Mutter sah, brachen bei ihm alle Dämme und er konnte die
Bäche, die seine Augen verließen, nicht mehr kontrollieren.
    »Es tut mir leid«, winselte er.
    Nur für einen kurzen Moment streifte sein Blick
seine kleinen Geschwister. Er wusste, wenn sie ihn bitten würden zu bleiben und
ihn aus ihren stahlblauen, kindlichen Augen ansahen, würde er sich für immer selbst
hassen. Hastig verließ er den Raum. Schon als er die Schwelle übertreten hatte,
drangen ihm das Gebrüll und die Schreie der Menschen an die Ohren. Einige Hundert
Ellen vor dem Haus schien die Hölle zu toben. Musketenschüsse waren zu hören und
auch das Wehklagen verletzter Menschen. Die hessischen Söldner schienen der kompletten
Stadt habhaft geworden zu sein und durchsuchten nun die Häuser nach etwas Brauchbarem.
Ihr Gejohle durchdrang selbst die dicken Holzplanken, mit denen die Fenster zugemauert
worden waren. Hektisch blickte Lorenz sich um. Vater schien in den letzten Tagen
gute Arbeit geleistet zu haben. Die Türe zur Stube war verriegelt und mit Steinen
befestigt, der einzige Zugang zum Haus war nun die Tür zur Schmiede. Essensvorräte
lagen überall gestapelt und selbst an genug Feuerholz hatten seine Eltern gedacht.
Ohne Probleme konnten sie mehrere Tage das Haus nicht verlassen. Wahrscheinlich
hatten sie gehofft, dass die Hessen nicht länger bleiben würden und weiterzögen.
Schnell schritt er durch die Stube und riss die Tür zur Schmiede auf.
    »Mein Sohn!« Tränenüberströmt rannte Josef auf ihn zu. Nur wenige Ellen
trennten die beiden, als sie sich ohne Atem ansahen. Dann drückte er Lorenz fest
an seine Brust. »Ich wusste, dass du zurückkommen und überleben würdest.«
    Kurz spürte er den Schmerz abermals in sich aufsteigen, doch es war
ihm egal. Ohne ein Wort zu sagen, blickte er in die abgedunkelte Schmiede. Auch
hier waren die Fenster zugenagelt und das Tor verschlossen worden. Lediglich durch
eine Seitentür gelangte man nach draußen. Vater hatte einige Scharten in die Wände
gehauen. Ratte und Jakob grinsten ihn dankbar aus freudestrahlenden Augen an, dann
legten sie wieder ihre Musketen an und spähten hinaus in die Ferne. Auch ihre Verbände
waren erneuert worden, ihre Gesichter wirkten müde und erschöpft.
    »Vater, ich muss …«
    Als Lorenz die Augen des Mannes sah, stockte er.
    »Du bist noch viel zu schwach, um hier zu sein, kleiner Bruder.« Maximilian
riss sich nur kurz von seinem Posten weg. Lorenz genoss die knappe Umarmung, wissend,
dass sein Bruder dasselbe fühlte wie er.
    »Hier, das habe ich gefunden, als wir tagelang das Schlachtfeld abgesucht
haben«, sagte Maximilian und warf ihm die kostbare Muskete zu. »Sie lag unter mehreren
Gefallenen, ein Wunder, dass sie noch nicht entdeckt wurde. Sie scheint zu dir zurück
zu wollen.«
    Lorenz war so dankbar, als er das breite Grinsen seines Bruders erblickte.
Und er wusste, dass die Worte, die er nun sprechen musste, seiner Familie das Herz
brechen würden.
    »Vater, ich muss … versteh doch, sie wissen, wo ihr Versteck ist, sie
werden sie töten.«
    Schwer atmend blickte er zu Boden. Dann grollte die tiefe Stimme Josefs.
»Ich werde dich nicht gehen lassen. Du wirst ins Bett gehen und mit uns in diesem
Sturm hier ausharren.«
    »Ich muss gehen und ich werde gehen, Vater.«
    Krachend sauste Josefs Faust gegen eine achtlos an die Wand gelehnte
Holzplanke, sie zersplitterte augenblicklich in unzählige Teile. »Du wirst hierbleiben!
Du wirst dein Leben nicht aufs Spiel setzen, um ein Mädchen zu retten, das du erst
seit wenigen Wochen kennst«, donnerte er.
    »Vater, ich liebe sie!«, schoss es laut aus Lorenz heraus.
    Einige Sekunden funkelten sich die Männer an, dann kreuzte Josef die
Arme und stellte sich vor die Nebentür.
    »Ich werde dich nicht …« Doch seine Stimme wurde von schnell näher
kommendem Gebrüll unterbrochen.
    »Pst, da kommt eine Gruppe«, zischte Ratte.
    Innerhalb von wenigen Sekunden waren die Männer an den Schießscharten
und beobachteten die Eindringlinge.
    Ratte hatte den besten Blick. »Es sind elf.«
    »Und wenn es hundert sind«, entgegnete Maximilian ruhig.
    Lärmend näherten sich die Männer der Scheune. Lorenz nickte ruhig und
verstärkte den Griff um die Muskete, füllte geübt das
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