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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Thiel
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Die Flüche und Schreie, mit denen sie uns verbannen
wollten, sind verstummt. Und die nicht enden wollende Qual scheint vergessen. Wir
gehören nicht mehr an diesen Ort. Du flüsterst mir ins Ohr, dass ich nun loslassen
kann. Du sagst, dass jetzt alles gut ist, und meine Wünsche in Erfüllung gegangen
sind. Allmählich spüre ich meinen Körper nicht mehr. Du bemerkst meine Unsicherheit.
Jetzt schaust auch du nach unten und flüsterst mir zu, dass mein Leib hierbleiben
muss und ich darüber glücklich sein kann, denn dort, wo wir gemeinsam hingehen,
benötige ich ihn nicht länger. Ich gestehe dir, dass ich Zweifel und Angst habe.
Du lächelst ruhig und streichelst meine Wangen. Ganz nah kommt dein Gesicht an meins,
ich kann die Wärme spüren. Deine Augen funkeln, sie strahlen, scheinen das Licht
der Welt zu versammeln. Du umarmst mich und sagst, dass ich keine Angst mehr spüren
werde. Dann küsst du mich und alle Zweifel verschwinden. Ich lasse alles Unwichtige
auf dieser Welt zurück und nehme nur das mit, was ich für die Ewigkeit benötige.
Meine Seele und dich. Du sagst, dass du mich liebst. Ich folge dir, Antonella …
für immer.

Kapitel 13
     
    - Unendlich schwere Lasten -
     
    Ihre Schönheit hatte sie
unter dicken Leinentüchern verborgen, die sie eng um ihren Leib gewickelt hatte.
Die Feuer in der Stadt waren endlich gelöscht, und mit Ersterben des dicken Qualms
hatte auch der Wahnsinn ein Ende genommen. Mehrere Tage hatten die Hessen geplündert,
geraubt und gemordet, und entgegen aller Erwartungen hatten sie sich breitgemacht
und schienen diesen Ort nicht mehr verlassen zu wollen. Doch dies war ihr gleichgültig.
Sie hatte alles verloren. Ihren Vater, ihre Schwester, ja ihr ganzes Leben – und
alles war ihre Schuld. Jede Sekunde, die sie auf dieser Welt verbrachte, schmerzte.
Sie wollte dies alles zurücklassen, als sie am Waldrand stand und auf Kempen zurückblickte.
Mit tiefen, roten Augen dachte sie zurück an die schrecklichen Ereignisse, die sich
dort zugetragen haben mussten. Sie hatte sie verraten, die, die sie so sehr geliebt
hatte. Den Menschen, den Vater damals aufgenommen hatte, die erst eine Freundin,
dann zu einer wahren Schwester geworden war. Verkrochen hatte sie sich, als die
Meute loszog, um sie zu töten. Tagelang hatte sie nur geweint, und jetzt hatte sie
keine Tränen mehr, die sie vergießen konnte. Sie hatte sich in Vaters Anwesen eingeschlossen.
Doch als es geplündert wurde und sie in dieses leerstehende, dunkle Haus zurückkehrte,
in dem jeder Raum von Stille durchzogen war, und sich in einer Ecke zusammenkauerte,
wurde es ihr klar. Antonella hätte niemals einen Mord begehen können. Nicht sie.
    Langsam drehte sie sich zu dem Wäldchen hin. Ihre Stimme zitterte.
    »Bitte verzeih mir, Antonella.«
    Noch ein letztes Mal sah sie hinüber zur Stadt
und erblickte einen Jungen am südlichen Tor, der sie fest ansah. Kurz erhob er die
Hand, dann ging er langsamen Schrittes und mit gebückter Haltung auf die Felder
zu und wurde schließlich kleiner, bis er irgendwann im dichten Schneegestöber nicht
mehr auszumachen war. Sie nickte.
    Allmählich machte sie die ersten Schritte auf den gewundenen Pfad,
der sich durch den Wald schlängelte, in dem so viel Grauenvolles passiert war.
    »Bitte, verzeih mir«, hauchte Elisabeth erneut.
     
    Die Verbände an seinen Armen waren nur notdürftig
gewickelt worden. Immer noch waren sie vom Blut rot gefärbt und immer noch schmerzten
die Wunden, die er sich selbst zugefügt hatte. Er wollte nicht mehr leben. Nicht
mit dieser Last, die tonnenschwer auf seinen Schultern lastete. Kurz blickte er
auf die Schnitte an seinen Armen und schüttelte leicht den Kopf. Seinen eigenen
Bruder hatte er getötet, und nichts anderes als die Hölle und ewige Qualen wären
dafür die gerechte Strafe gewesen. Seine Freunde hatten ihn zurück zu seinen Eltern
tragen müssen, obwohl sie selbst dem Tode näher waren als dem Leben. Kein Wort hatte
er gesprochen, nicht einmal dazu hatte er den Mut gehabt. Ruhig hatte er sich angehört,
was seine Freunde den Eltern berichteten, bis sie ihn schließlich zur Ruhe gelegt
hatten. Dann hörte er die bitterlichen Schreie und das qualvolle Wehklagen seiner
Eltern. Als er das leere Bett neben seinem erblickte, traf er einen Entschluss.
Das eiserne Metall, das durch seine Haut und seine Adern fuhr, fühlte sich unendlich
gut und erleichternd an. Doch etwas wollte ihn nicht sterben lassen. Etwas, das
die anderen Gott nannten. Seit
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