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Die Herzogin der Bloomsbury Street

Die Herzogin der Bloomsbury Street

Titel: Die Herzogin der Bloomsbury Street
Autoren: Helene Hanff
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Staffelei, auf-ab, auf-ab, auf-ab, in Bewegungen, die so schnell und präzise und rhythmisch waren wie die eines Metronoms bei schneller Geschwindigkeit. Stunde um Stunde redete und lachte und malte sie, und das rasche Auf-und-ab-Hüpfen der Augen hörte nicht einen Moment auf. Ich probierte es selbst einmal aus, aber nach zwanzig Sekunden waren meine Augenmuskeln lahm.
    Sie malte bis ein Uhr, dann fuhren wir nach Kensington zum Lunch. Auf dem Weg versuchten wir es erst gar nicht, uns zu unterhalten, der Lärm von dem Lieferwagen war so ohrenbetäubend wie die New Yorker Subway. Englische Autos sind angenehm leise, wenn sie auf der Straße an einem vorbeifahren, aber sehr laut, wenn man drinnen sitzt. Amerikanische Autos sind das genaue Gegenteil.
    Zum Lunch gingen wir in ein kleines italienisches Lokal in der Nähe von ihrer und Leos Wohnung, das sich Panzer’s Pasta and Pizza nennt, ihr Lieblingslokal in der Nachbarschaft. Der Martini war der beste, den ich bisher in London getrunken habe, und das Hühnchen mit Knoblauchbutter können sie mir im Himmel servieren.
    Ena war entsetzt, dass ich bisher nicht in einem einzigen Museum war, und bestand darauf, mich nach dem Lunch zur National Portrait Gallery zu schleppen – wo ich von mir selbst überrascht war, weil ich bei der Begegnung mit alten Freunden von Angesicht zu Angesicht ganz aus dem Häuschen geriet. Charles  II . sieht aus wie ein lüsterner alter Mann, und das war er auch, Maria Stuart sieht aus wie die Hexe auf einem Besenstiel, die sie auch war. Elizabeth sieht wunderbar aus, der Maler hat alles eingefangen – die hellen, klarsichtigen Augen und die starke Nase, die durchsichtige Haut und die zarten Hände, die glitzernde, kalte Isolierung. Wünschte, ich wüsste, warum Porträts von Maria Stuart und Elizabeth immer so wahrhaftig und lebendig aussehen und die von Shakespeare, die doch aus derselben Zeit stammen und in derselben Art gemalt sind, immer so stilisiert und unnahbar.
    Ich betrachtete jedes einzelne Gesicht so lange, dass wir über das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert nicht hinauskamen. Nächste Woche gehen wir wieder hin und gucken uns das achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert an, ich bin jetzt leidenschaftlich entschlossen, sie alle zu sehen.
    Der Colonel hat angerufen, am Mittwoch fährt er mit mir zum Essen aufs Land.

Montag, 19 . Juli
    Kam um elf in Rutland Gate an. Nein, dass stimmt nicht. Ich bin immer so besorgt, es nicht um »Punkt« zu schaffen, dass ich mir ein Taxi nehme, und dann bin ich zwanzig Minuten vor der Zeit da und laufe in der Gegend herum, bis es Zeit ist, bei ihm zu klingeln. Das gefällt mir, es ist eine interessante Gegend.
    Für den Elf-Uhr-Sherry ging er mit mir in das Old Wine Shades in der Martin Lane nahe der Cannon Street. Es ist der einzige Pub in London, der den großen Brand von 1666 überstanden hat. Er wurde vor 1663 erbaut und hat sich seither, so scheint es, nicht verändert. Über der Bar stehen alte Weinfässer, die hölzernen Tische und Bänke sind vom Alter gezeichnet, sogar die Speisekarte klang archaisch, ich konnte mir vorstellen, dass Sam Pepys die Kalbfleisch-Pastete bestellen würde.
    Er ging mit mir zur Bank of England, wo die Portiers und die Aufsichtführenden rote Hosen und Westen tragen und sich verneigen, wenn sie einem einen guten Morgen wünschen. (Abgesehen von diesen Männern ist die Bank auch nur eine von diesen volksnahen Kobras.)
    Zum Lunch gingen wir in den George & Vulture, wo, so steht es in der Speisekarte, »Mr. Pickwick ungefähr fünfundvierzig Menschen bei ihrem allerersten Besuch in London zum Essen einlud«. Das Restaurant ist das Hauptquartier des Pickwick Club. An der Wand Dickens-Cartoons; Steak und Kotelett, gegrillt über einem offenen Feuer in einem großen steinernen Kamin.
    Um die Ecke vom George & Vulture steht die »Kirche St. Michael Cornhill mit St. Peter Le Poer und St. Benet Fink«. St. Benet Fink wird in die Liste meiner Lieblingsheiligen aufgenommen, ich werde seinen Namen unmittelbar unter die zwei Heiligen von New Orleans schreiben.
    Vor langer Zeit, 1801 , als die Vereinigten Staaten Louisiana kauften, begannen amerikanische Firmen, mit katholischen Ikonen zu handeln und Kisten voller Kirchenfiguren nach New Orleans zu schicken. Die Kisten waren mit FRAGILE und EXPEDITE beschriftet. Die Einwohner von New Orleans waren französisch, sie konnten kein Englisch und verstanden die beiden englischen Worte nicht. Sie kamen zu dem Schluss, dass
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