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Die Herzogin der Bloomsbury Street

Die Herzogin der Bloomsbury Street

Titel: Die Herzogin der Bloomsbury Street
Autoren: Helene Hanff
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dies die Namen von zwei neuen Heiligen sein mussten, deren Ikonen in den Kisten verstaut waren. Und im nächsten Moment waren St. Fragile und St. Expedite die beliebtesten Heiligen in New Orleans.
    St. Fragile verlor nach einer Weile an Beliebtheit, aber noch vor kurzem, so habe ich gehört, konnte man in New Orleans eine Lokalzeitung zur Hand nehmen und in der Spalte mit Kleinanzeigen lesen:
    Dank sei St. Expedite für seine besondere Gunst.
    Den Ikonen nach zu urteilen, ist er ein alter Römer und trägt eine Toga. Ich wüsste über St. Benet Fink auch gern ein paar Details, aber P.B. wusste nicht, wer er ist.
    Wir gingen die Lombard Street entlang, P.B. sagte, das Londoner Bankwesen sei im fünfzehnten Jahrhundert von Italienern aus der Lombardei gegründet worden. Jeder Geldverleiher habe ein Schild vor die Tür gehängt, an dem man sein Geschäft erkennen konnte, und seither haben alle Banken in der Lombard Street Messingschilder vor der Tür hängen. Die Schilder schwingen heute noch in der Brise: Das von der Bank of Scotland stellt eine Katze mit Fiedel dar, eine andere Bank hat einen Grashüpfer, eine dritte ein scheuendes Pferd. P.B. wusste nicht, woher die Embleme kamen und was sie ursprünglich bedeuteten, sie sind Hunderte von Jahren alt. (Dann kommen die Vereinigten Staaten daher und eröffnen eine Bank in der Lombard Street, und als die Amerikaner überall Katzen mit Fiedeln und Grashüpfer und scheuende Pferde sehen, sagen sie: »Also, hört mal, wir sollten auch etwas über der Tür aufhängen!«, und dann hängen sie den amerikanischen Adler auf – wir haben keine nationale Fantasie.)
    P.B. fährt am Samstag mit Jean, Ted und mir aufs Land zu einem Herrensitz. Er hat mich verwirrt, weil er mit mir in ein Juweliergeschäft gegangen ist, wo ich mir eine Anstecknadel ansehen sollte, die er für mich machen lässt, und sagen, ob sie mir gefiele. Sie ist aus Gold mit einem rot-weißen Wappen von London.
    Sehe ihn am Samstag zum letzten Mal, bis dahin ist die Nadel fertig.

Dienstag, 20 . Juli
    Ich kam vor Ena zum Russell Square, und mein Freund, der die Gebühren kassiert, stellte einen Stuhl für mich auf, verschränkte dann die Arme hinter dem Rücken, beugte sich vor und sagte verschwörerisch:
    »Sind wir jemand, den wir kennen sollten?«
    Ich versicherte ihm, dass wir niemand seien, und er schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.
    »Eine Malerin malt nicht von irgendjemandem ein Porträt«, sagte er.
    Ich sagte, dass ich Schriftstellerin sei, aber nicht berühmt oder wichtig, und er zog ein kleines schwarzes Heft hervor und notierte sich sorgfältig meinen und Enas Namen. In dem Moment kam Ena um das Vogelbad gewankt, beladen mit Staffelei, Palette und dem enormen Radio, das sie immer noch mitschleppt, falls ich mich doch zu langweilen beginne – dabei mache ich immer nur freche Bemerkungen über den Musikgeschmack der BBC . Es gibt nur einen Sender mit klassischer Musik, und derjenige, der das Programm zusammenstellt, ist ein Kammermusik-Fan, denn das ist alles, was sie spielen.
    Ena sagte, ich hätte ihre Einstellung zur Porträtmalerei völlig verändert.
    »Bisher habe ich nie jemanden im Freien gemalt«, sagte sie. »Es ist eine ganz andere Atmosphäre und ein anderes Gefühl. Von jetzt an werde ich jedes Mal darüber nachdenken müssen, ob jemand drinnen oder draußen gemalt werden sollte. Sie hatten völlig Recht, Sie sind ein Freiluftmensch.«
    »Wir sind aber nicht hier, weil ich ein Freiluftmensch bin«, sagte ich, »sondern weil ich ein egoistischer Mensch bin.«
    Ich glaube, dass sie am liebsten den ganzen Tag malen würde, aber was ich auch sage, sie besteht darauf, um ein Uhr aufzuhören, weil ich nur noch so wenig Zeit habe, mir Dinge anzusehen.
    Als wir die Sachen einpackten und zum Lieferwagen gingen, ließ sie den Blick über den Russell Square schweifen und sagte nachdenklich:
    »Sie hatten Recht mit der Anlage. Sie hat etwas Besonderes.«
    Ich war verdutzt. Ich hatte das nie gesagt. Und bis zu dem Moment, als sie das sagte, war mir nicht klar gewesen, dass ich es wusste.
    Zum Lunch gingen wir zu Panzer’s und danach in die National Portrait Gallery, ich sah Jane Austen und Leigh Hunt und Willie Hazlitt und das gespenstische Porträt der Brontës – die Gesichter der drei Schwestern und in der Mitte die graue Fläche, wo Branwells Gesicht einmal war.
    Der Geschichte nach hatte Branwell sich und seine Schwestern gemalt und dann in einem Anfall von Selbsthass sein eigenes
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