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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht
Autoren: Uwe Klußmann
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gemeinsam einen Angriff des Krim-Khanats auf Moskau ab. Es ist für Russland ein Krieg um Sein oder Nichtsein. Der Zar scheint zu begreifen, dass er sich eine Spaltung des Landes nicht länger leisten kann. Schließlich bleibt nach Säuberungen ab 1572 kaum ein Fünftel der alten Opritschniki im Hofdienst. Der Zar löst die Opritschnina im gleichen Jahr auf. Und er verbietet, sie künftig auch nur zu erwähnen. Mindestens 4000 Menschen sind unmittelbar durch die Opritschniki ums Leben gekommen. Der Schaden für das Land, das etwa acht bis zehn Millionen Einwohner zählt, geht tiefer. Angst und Misstrauen bestimmen weiterhin das öffentliche Leben. Der dunkelbärtige Herrscher, 1,78 Meter groß, verbreitet mit seinen unruhig umherschweifenden Blicken eine Atmosphäre der Furcht. Vor der brodelnden Wut des zornigen Zaren sind nicht einmal nahe Familienangehörige sicher.
    Im November 1581 trifft er bei einem Streit seinen Sohn Iwan mit der eisernen Spitze eines Stabes an der Schläfe. Blutend bricht der 27 Jahre alte Zarewitsch zusammen. Wenige Tage später stirbt er. Der Totschlag im Affekt erschüttert den 51-jährigen Täter tief. Denn der zügellose Zar wollte seinen Sohn nicht umbringen. Iwan Grosny setzt die Zarenkrone nicht mehr auf. Er legt auch seinen fürstlichen Schmuck nicht mehr an. Der fanatisch religiöse Monarch, der seine innere Zerrissenheit auf das ganze Land übertragen hat, zeigt überraschend Züge von Altersmilde.
    Nach Jahrzehnten, in denen er fast ununterbrochen Krieg geführt hat, schließt er 1582 Frieden mit Polen-Litauen. Er spendet große Geldsummen an Klöster und lässt für die Seelen jener vermeintlichen Feinde beten, die er hinrichten ließ. Iwan IV. versucht, »die Rolle und die Maske eines Peinigers gegen die eines Wohltäters auszutauschen«, so der russische Historiker Ruslan Skrynnikow. Dazu hat er allen Anlass. Russland ist verarmt und verödet. Es wird heimgesucht von Missernten und Pest. Am 18. März 1584 stirbt der Zar im Alter von 53 Jahren, plötzlich, während er ein letztes Mal Schachfiguren setzt. Trotz seiner düsteren Seiten hat Iwan IV. in Russland weiterhin viele Verehrer. Denn er verschafft dem entstehenden Imperium mit dem gestärkten Dienstadel eine staatstragende Schicht. Und er weist die Richtungen, wohin das Reich sich ausdehnen wird: zum Kaukasus und zum Schwarzen Meer, an die Ostsee und nach Sibirien.
    Josef Stalin lässt den Regisseur Sergej Eisenstein im Zweiten Weltkrieg einen Film über Iwan Grosny drehen. Das Volk soll sich am Beispiel dieses Zaren aufrichten. Das Verdikt von Karl Marx über die »unglaublich grausamen Untaten der Opritschniki« ist für Stalin nicht bindend. Eisensteins Monumentalfilm zeigt Iwan IV. als begnadeten Volksführer. Im russischen Vorspann heißt es, das Werk handele »von einem Menschen, der als erster unser Land einte und einen mächtigen Staat schuf«. Die Zuschauer erleben einen entschlossenen Zaren, bedrängt von arglistigen Bojaren und beschützt von treuen Opritschniki. Ein zweiter Teil des Epos, in dem Eisenstein auf Stalins Schreckensherrschaft anspielt, wird zunächst verboten und erreicht die Zuschauer erst nach dem Tod des roten Zaren.
    Ein gänzlich anderes Bild Iwans bietet der 2008/09 gedrehte Film »Zar« des liberalen Moskauer Regisseurs Pawel Lungin. Der zeigt ein Grosny-Land voller an Galgen baumelnder Leichen, ein Reich der Finsternis, regiert von einem psychopathischen Despoten. Ironie der Geschichte: Gefördert wurde der Film vom Bankier Andrej Borodin, während der Dreharbeiten Boss der »Bank Moskwy«, Vertrauter des damaligen Bürgermeisters Jurij Luschkow. Inzwischen ist der Bankier ebenso wie das Stadtoberhaupt in Ungnade gefallen. Luschkow und Borodin haben sich in den Westen abgesetzt, aus Angst vor den Sicherheitsmannen des Kreml. Denen sagt man in Moskau nach, sie pflegten im Kampf gegen Bojaren von heute auch die Tradition Iwan Grosnys und seiner Opritschniki.

Zwei oder drei Halleluja
    Die russisch-orthodoxe Kirche war von
jeher erzkonservativ. Elend und Knechtschaft
rechtfertigte sie als gottgewollt.
    Von Jörg R. Mettke
    A m dritten Fastensonntag geschah Ungeheuerliches auf Moskaus Straßen: Isidor, der geistliche Oberhirte der russischen Christenheit, kehrte mit Gefolge aus dem Ausland zurück, und die letzten Werst bis zum Kreml ließ er sich ein lateinisches Kreuz voraustragen. Dazu, nach römischem Brauch, drei silberne Stöcke. Schon von unterwegs empfahl sich der heimkehrende
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