Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht
Autoren: Uwe Klußmann
Vom Netzwerk:
Überraschend verkündet er, er lege seine Herrschaft nieder. Vor den verblüfften Zuhörern zieht er sein Ornat aus, setzt die Krone ab und verlässt bald darauf den Kreml. Am 3. Dezember lässt er mehr als hundert Schlitten beladen und fährt mit Familienangehörigen und Gefährten auf verschneiten Wegen aus der Hauptstadt. Die Reise endet in Alexandrowa Sloboda, einem Landsitz 100 Kilometer nordöstlich von Moskau.
    Die Moskauer sind bestürzt und hilflos. Da bringen Reiter Anfang Januar 1565 eine Zaren-Botschaft, die vor dem Volk verlesen wird. Iwan klagt erneut die verräterischen Bojaren an und verkündet sogleich, gegen das Volk von Moskau hege er keinen Groll. Nun geschieht, worauf der Zar gesetzt hat: Eine große Delegation der Moskauer zieht nach Alexandrowa Sloboda, mit Kirchenfahnen und Ikonen, singend und betend. Das Volk will seinen Zaren zurück. Der stellt Bedingungen: Mit »Verrätern« werde er verfahren, wie er es für richtig halte. Und der Staat werde radikal umgebaut.
    Opritschnina heißt das Zauberwort der erneuerten Zarenherrschaft. Der Begriff bedeutete ursprünglich den abgesonderten Teil eines Erbes. Praktisch geht es um einen Staat im Staate. Die Opritschniki, eine dem Zaren ergebene Garde, bilden die neue Stütze der Herrschermacht. Die Männer gehören überwiegend zum Dienstadel, einer Schicht, die gut 18000 Mann zählt. Iwan Grosny unterstellt der Opritschnina große Teile des russischen Territoriums, den Südwesten Moskaus inklusive. Die restlichen Gebiete verbleiben als »Semschtschina« unter der Bojaren-Duma.
    Die Opritschniki, zunächst 1000 Mann, bald darauf 6000 Kämpfer, leisten dem Zaren einen besonderen Treueeid. Sie tragen schwarze Kittel und führen an ihren Pferden einen Hundekopf und Besen als Abzeichen. Als Sicherheitsdienst sollen sie Feinde des Herrschers wie Hunde aus der Heimat jagen. Erstmals zeigt sich, so der Moskauer Historiker Andrej Firsow, »dass Russland Krisen mit außerordentlichen Kommissionen bewältigt« – eine Anspielung auf die spätere bolschewistische Geheimpolizei. Mit den Opritschniki, meist jungen Aufsteigern aus dem Dienstadel, kommt ein Terrorregime au f Touren. Der Orden unter dem Hundekopf verschafft seinen Mitgliedern Landgüter der Bojaren, die gewaltsam umgesiedelt werden. In Alexandrowa Sloboda errichtet der Zar mit der Opritschnina eine zweite Hauptstadt. Diese Festung hinter Wall und Graben verlässt der Herrscher nur unter dem Schutz einer Sicherheitstruppe. Entspannung findet Iwan bei den Klängen seines 27-köpfigen Chores. Dessen Sänger stimmen Loblieder an auf Gott, den Zaren und die Heimat.
AUTOKRATIE
    Macht ohne Rechenschaft
    Als Autokratie bezeichnet man die Regierung eines Alleinherrschers, dessen Machtfülle nicht durch Kontrollinstanzen eingeschränkt ist. In diesem Sinne waren die russischen Zaren stets Autokraten. Ihr zentralistisches System der »Selbstherrschaft« sah eine Teilhabe des Volkes an der Staatsgewalt nicht vor. Ein Autokrat ist niemandem Rechenschaft schuldig. Er allein verkörpert den souveränen Staat. Im Zarentum findet die Macht des Herrschers ihre Beschränkung nur im göttlichen Recht und in der Verpflichtung des Monarchen auf die Idee des Reiches.
    In der Opritschnina dienen gläubige Gefolgsleute des Monarchen, aber auch zynische Abenteurer wie der Deutsche Heinrich von Staden aus dem Münsterland. Der prahlt damit, dass Strafexpeditionen gegen Bojaren in Raubzüge ausarten, bei denen sich Opritschniki schamlos bereichern. Weil sie sicher sind, straffrei auszugehen, lassen die Gardisten immer öfter alle Hemmungen fallen. Besonders arg treiben es die Opritschniki bei einem Überfall auf die Handelsstadt Nowgorod 1570.
    Sie rauben Kirchenschätze, plündern den Hof des Erzbischofs und die Häuser von Handwerkern und Kaufleuten. Sie foltern vermeintliche Verräter am offenen Feuer. Die Gequälten liefern alle gewünschten Geständnisse. In Nowgorod sperrt ein Opritschnik einen Amtmann mit einem Bären in ein Zimmer. Das Tier zerfetzt dem zu Tode Erschrockenen die Kleidung. Als auch die orthodoxe Kirche sich gegen die Opritschnina wendet, lässt der Zar den Metropoliten Filipp II. , der dem Zaren den Segen verweigert, in ein Kloster verbannen. Später erwürgt ihn dort ein führender Opritschnik.
    Allmählich aber dämmert es Iwan Grosny, dass mit rauen Gesellen allein auf Dauer kein Staat zu machen ist. So lässt der Zar zahlreiche Opritschniki umbringen. 1571/72 wehren Opritschniki und Bojarentruppen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher