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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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erhob sich ein Ritter und griff sich zwischen die Beine. »Unsere Waffen sind aber auch nicht zu verachten.« Die Männer lachten grölend.
    »Ich bezweifele«, versuchte Graf Adalbert das Gelächter zu übertönen, »dass ein Weib Kriegsführung und Politik tatsächlich so zu erlernen vermag, wie uns Gott dieses Vermögen von Geburt an mitgegeben hat.«
    »Niemals«, mischte sich Esiko ein und klopfte dem Vater beipflichtend auf die Schulter. »Sonst würde die von Gott gewollte Ordnung ja auch vorsehen, dass Weiber lernfähig sind.« Er glaubte zwar daran, Frauen belehren zu müssen, aber die Fähigkeit aus diesen Belehrungen zu lernen, sprach Esiko ihnen kategorisch ab. »Auf die Politik des starken Geschlechts«, prostete er den Gästen zu.
    Gräfin Hidda blickte ihren Sohn sorgenvoll an. Auch Uta war der Durst vergangen. »Frauen dürfen nicht lernen? Wie kann Esiko so etwas behaupten?«, wandte sie sich erneut an die Mutter, als der Vater durch einen anderen Gesprächspartner abgelenkt war.
    »Später, Liebes«, bat die Gräfin.
    »Aber Esiko muss sich irren!«, beharrte Uta und zupfte Hidda am Ärmel.
    »Wir reden darüber, wenn die Gäste fort sind.«
    Uta holte tief Luft und wollte abermals ansetzen, hielt aber inne, als sie die Hand ihrer Mutter auf dem Schoß spürte. Augenblicklich erinnerte sie sich wieder der quälenden Geburtsschreie und verharrte weiter stumm, während die Musikanten von Gast zu Gast gingen und dabei beschwingtere Stücke aufspielten.
    »Habt so weit Dank für Eure Gastfreundlichkeit«, sagte Markgraf Ekkehard schließlich und griff nach einem Stück vom Gewürzkuchen, den die Mägde mit den letzten Naschereien herumtrugen.
    »Nun dann!«, sagte Graf Adalbert und hob die Tafel auf.
    »Lasst uns zur Jagd aufbrechen. Die Treiber und Bläser sind bereits im Burghof versammelt.«
    Erst als die Bediensteten die Tafeln aus dem Burgsaal trugen, vermochte Uta ihren Blick wieder zu heben. Sie stand auf und trat vor den Fensterschlitz. Die Behauptung, dass das Lernen gotteslästerlich sei, widersprach ihren bisherigen Erfahrungen. Obwohl sie ein Mädchen war, wusste sie Gewänder mit Blumenmotiven zu besticken und die Buchstaben des Alphabets allesamt hintereinander zu nennen. Zudem war sie imstande, die väterliche Linie der Askanier sowie die mütterlichen Vorfahren der Christiansippe aufzuzählen, während Esiko so manches Mal darüber ins Stocken geriet.
    »Entschuldigt, Jungfer«, drang es von der Tür zu ihr herüber.
    Uta wandte sich um. »Volkard aus dem Hardagau?«
    »Und Knappe Hermanns von Naumburg«, entgegnete der.
    »Ich wollte Euch nicht erschrecken.«
    »So schnell vermag mich niemand zu ängstigen«, gab sie barscher als beabsichtigt zurück. Der Ärger über Esikos Behauptung schwang noch in ihrer Antwort mit. »Wisst Ihr, wenn das Spiel, und ein solches scheint es ja zu sein, viele gegen einen lautet, zeugt das nicht gerade von Gerechtigkeit.« Volkard aus dem Hardagau schaute sie verwundert an und tat einen Schritt auf sie zu. »Findet Ihr Hetzjagden auch so langweilig? Mein Herr hat mich von der Jagd befreit. Stattdessen soll ich sein Schwert vom Schmied richten lassen.«
    Uta sah auf einmal wieder das Gesicht des Markgrafensohns Hermann vor sich, als er von der Kaiserin gesprochen hatte, und lächelte bei dem Gedanken, mit welch ruhiger Stimme er ihrem zornigen Vater geantwortet hatte. »Schmied Jonas heizt in der Werkstatt neben dem Brothaus ein. Dort werdet Ihr ihn finden«, antwortete sie schließlich und schaute wieder aus dem Fensterschlitz. Ob Esiko und der Vater von bestimmten Fähigkeiten zum Lernen gesprochen hatten?
    Volkard aus dem Hardagau unterbrach Utas Grübelei erneut.
    »Erinnert Ihr Euch noch an das Spiel der Schneerose, das wir vor zwei Wintern begannen?«
    Uta hob die Brauen und fixierte das Fensterpergament vor sich. »Die Schneerose?«, fragte sie. Eine Kräuterfrau, die wegen der Gicht des Grafen auf der Burg gewesen war, um diese zu behandeln, hatte ihr einst von diesem Brauch erzählt. »Die ausschließlich im Winter blühende Schneerose soll über Glück und Unglück im Leben entscheiden«, begann sie, die damaligen Worte der Kräuterfrau vorzutragen. »Doch dazu muss man im ersten Winter eine erblühte Schneerose entdecken und pflücken. Noch vor dem Ende der kalten Jahreszeit gehört das seltene Gewächs dann in ein Holzkistchen gepackt und fest verschlossen. Dieses Kistchen muss im Wald unter einer dicken Schneeschicht zwischen den Wurzeln
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