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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens
Autoren: Bernard Cornwell
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Über diese ausgedehnte Uferweide hatte mein Vater den Angriff auf Eoferwic geführt. Ich setzte den Helm auf
     und rief Thorkild zu, er solle mir einen Schild zuwerfen. Das tat er, und gerade als ich auf die sechs Männer zugehen wollte,
     die inzwischen stehen geblieben waren und mich mit gezogenen Schwertern beobachteten, sprang hinter mir Hild ans Ufer. «Du
     hättest auf dem Schiff bleiben sollen», sagte ich zu ihr.
    «Dort bleibe ich nicht ohne dich», sagte sie. Sie trug die Ledertasche, die unser ganzes Gepäck darstellte und wenig mehr
     enthielt als einige Kleidungsstücke zum Wechseln, ein Messer und einen Wetzstein. «Wer sind sie?», fragte sie und meinte damit
     die sechs Männer, die immer noch fünfzig Schritte entfernt waren und es nicht eilig hatten, den Abstand zu verringern.
    «Lass es uns herausfinden», sagte ich und zog Schlangenhauch.
    Die Schatten waren inzwischen lang geworden, und das Zwielicht hatte den Rauch der Kochfeuer über der Stadt in Purpur und
     Gold getaucht. Krähen flogen zu ihren Nestern, und in einiger Entfernung erkannte ich Kühe, die auf dem Weg zum abendlichen
     Melken waren. Ich ging auf die sechs Männer zu. Ich trug ein Kettenhemd, hatte einen Schild und zwei Waffen, Armringe und
     einen Helm, der drei gute Kettenhemden wert war. Meine Erscheinung schreckte die sechs Männer, und sie warteten eng zusammengedrängt
     auf mich. Alle hatten ihr Schwert gezogen, doch ich sah, dass sich zwei von ihnen Kruzifixe um den Hals gehängt hatten, und
     nahm daher an, dass sie Sachsen waren. «Wenn ein Mann nach Hause kommt», rief ich ihnen auf Englisch zu, «will er nicht von
     Schwertern empfangen werden.»
    |29| Zwei von ihnen waren schon älter, in den Dreißigern, und beide waren vollbärtig und trugen ein Kettenhemd. Die anderen vier
     waren mit einem Lederharnisch angetan und wesentlich jünger, allenfalls siebzehn oder achtzehn, und die Schwerter wirkten
     in ihren Händen so unpassend, wie sich in meinen der Griff eines Pfluges ausgenommen hätte. Sie mussten annehmen, dass ich
     ein Däne war, denn ich war von einem dänischen Schiff gekommen, und sie mussten wissen, dass sechs von ihnen einen Dänen töten
     konnten, aber sie wussten genauso gut, dass ein dänischer Krieger in voller Rüstung mit Leichtigkeit mindestens zwei von ihnen
     umbringen konnte, bevor er selber starb. Also waren sie erleichtert, als ich sie auf Englisch ansprach. Und sie waren verwundert.
     «Wer seid Ihr?», rief mir einer der älteren Männer zu.
    Ich antwortete nicht, aber ich ging immer weiter in ihre Richtung. Wenn sie sich in diesem Moment entschlossen hätten, mich
     anzugreifen, hätte ich entweder schmählich fliehen müssen oder ich wäre umgekommen, dennoch ging ich mit zuversichtlichem
     Schritt weiter, hielt meinen Schild gesenkt und ließ die Spitze meines Schwertes im Gras schleifen. Dass ich nicht antwortete,
     hielten sie für Überheblichkeit, doch in Wahrheit war es bloße Verwirrung. Ich hatte mir vorgenommen, hier auf keinen Fall
     unter meinem eigenen Namen aufzutreten, denn Kjartan oder mein betrügerischer Onkel sollten nicht wissen, dass ich nach Northumbrien
     zurückgekehrt war. Aber mein Name galt auch etwas, und mich überkam die närrische Versuchung, die sechs Männer damit zu beeindrucken.
     Doch dann fiel mir etwas noch Besseres ein. «Ich bin Steapa von Defnascir», verkündete ich, und für den Fall, dass dieser
     Name hier unbekannt war, prahlte ich ein bisschen: «Ich bin der Mann, der Svein vom Weißen Pferd in sein kühles Grab geschickt
     hat.»
    |30| Der Mann, der mich nach meinem Namen gefragt hatte, tat einen Schritt rückwärts. «Ihr seid Steapa? Der in Alfreds Diensten
     steht?»
    «Genau der.»
    «Herr», sagte er und senkte seine Klinge. Einer der jüngeren Männer berührte sein Kruzifix und fiel auf ein Knie. Ein dritter
     Mann schob sein Schwert in die Scheide, und die anderen taten vorsichtshalber das Gleiche.
    «Und wer seid Ihr?», verlangte ich zu wissen.
    «Wir dienen König Egbert», sagte einer der älteren Männer.
    «Und die Toten?», fragte ich und deutete auf den Fluss, auf dem eine weitere Leiche in der leichten Strömung vorbeitrieb.
     «Wer sind sie?»
    «Dänen, Herr.»
    «Ihr bringt Dänen um?»
    «Das ist Gottes Wille», sagte er.
    Ich zeigte auf Thorkilds Schiff. «Dieser Mann ist ein Däne und dennoch ein Freund. Werdet Ihr auch ihn töten?»
    «Wir kennen Thorkild, Herr», sagte der Mann, «und wenn er in Frieden kommt,
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