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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens
Autoren: Bernard Cornwell
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und bei Ethandun Svein vom Weißen Pferd aus dem Sattel geworfen hatte. Ich war der Mann,
     der Alfred sein Königreich zurückgegeben hatte, und ich hasste ihn. Also würde ich ihn verlassen. Mein Weg war der Weg des
     Schwertes, und er würde mich nach Hause bringen. Ich würde nach Norden gehen.
     
    Lundene ist die größte Stadt auf der ganzen britannischen Insel, und mir haben seine halbzerfallenen Häuser und seine geschäftigen
     Gassen immer gut gefallen. Dennoch blieben Hild und ich nur zwei Tage. Wir übernachteten in einem sächsischen Gasthaus der
     Neustadt, die sich westlich der verfallenden römischen Gemäuer ausbreitete. Zu dieser Zeit gehörte die Stadt zu Mercien, und
     die Dänen hatten einen Teil ihres Heeres hier liegen. Die Bierschwemmen waren voller Händler und Fremder und Schiffsführer,
     und es war ein Kaufmann namens Thorkild, der uns eine Überfahrt |19| nach Northumbrien anbot. Ich erzählte ihm, mein Name sei Ragnarson, und er glaubte mir weder, noch stellte er mir Fragen,
     sondern wollte uns für zwei Silbermünzen mitnehmen, wenn ich mich an eines seiner Ruder setzte. Ich war ein Sachse, doch ich
     war bei den Dänen aufgewachsen, und deshalb beherrschte ich ihre Sprache. Also nahm Thorkild an, dass ich Däne war. Mein prächtiger
     Helm, mein Kettenhemd und die zwei Schwerter verrieten ihm, dass ich ein Krieger war, und er musste vermuten, ich sei als
     Angehöriger der unterlegenen Seite auf der Flucht. Aber was sollte ihn das kümmern? Er brauchte Ruderer. Einige Händler setzten
     nur Sklaven an ihre Ruder, aber Thorkild fand, Sklaven brächten nichts als Ärger, und beschäftigte deshalb freie Männer.
    Wir liefen bei Ebbe aus, das Schiff beladen mit Leinenballen, Öl aus dem Frankenreich, Biberpelzen, vielen guten Sätteln und
     Ledersäcken mit kostbarem Senf und Kümmel. Als wir die Stadt und die Mündung der Temes hinter uns hatten, befanden wir uns
     in Ostanglien, doch wir sahen wenig von diesem Königreich, denn in unserer ersten Nacht auf dem Wasser schob sich dichter
     Nebel vom Meer heran, der sich tagelang hielt. An manchem Morgen konnten wir überhaupt nicht daran denken, weiterzureisen,
     und auch wenn das Wetter einigermaßen gut war, entfernten wir uns nie weit von der Küste. Ich hatte nach Hause segeln wollen,
     weil ich dachte, es ginge schneller als über die Straßen, doch nun schlichen wir durch ein Gewirr von Sandbänken, Wasserläufen
     und trügerischen Strömungen durch den Nebel. Jede Nacht unterbrachen wir die Fahrt und suchten uns einen Platz, an dem wir
     Anker werfen oder das Schiff mit Tauen festmachen konnten, und wir verbrachten eine ganze gottvergessene Woche in der Marsch
     von Ostanglien, weil sich |20| eine Planke am Bug löste und das Wasser nicht schnell genug ausgeschöpft werden konnte. Also mussten wir das Schiff ans schlammige
     Ufer ziehen und den Schaden beheben. Bis wir auch mit dem Kalfatern fertig waren, hatte sich das Wetter geändert, die Sonne
     glitzerte auf einem nebelfreien Meer, und wir ruderten nordwärts, gingen aber immer noch jede Nacht vor Anker. Unterwegs sahen
     wir Dutzende von anderen Schiffen, alle waren länger und schlanker als Thorkilds Boot. Es waren dänische Kriegsschiffe, und
     sie waren auf dem Weg nach Norden. Ich vermutete, dass damit Männer aus Guthrums unterlegenem Heer zurück nach Dänemark flüchteten,
     oder vielleicht auch nach Friesland, oder wo immer es leichtere Beute zu machen gab als in Alfreds Wessex.
    Thorkild war ein großer, schwermütiger Mann, der annahm, er sei ungefähr fünfunddreißig Jahre alt. Er flocht sein ergrauendes
     Haar, sodass es in langen Zöpfen bis zu seiner Mitte herabhing, und an den Armen trug er keinen von den Ringen, die das Zeichen
     kriegerischen Heldenmuts sind. «Ich war nie ein Kämpfer», vertraute er mir an. «Ich wurde als Händler erzogen, bin immer ein
     Händler geblieben, und wenn ich tot bin, wird auch mein Sohn Handel treiben.»
    «Lebst du in Eoferwic?», fragte ich.
    «In Lundene. Aber ich habe in Eoferwic ein Warenlager. Man kann dort sehr gut Felle kaufen.»
    «Herrscht dort immer noch Ricsig?», erkundigte ich mich.
    Er schüttelte den Kopf. «Ricsig ist schon seit zwei Jahren tot. Jetzt sitzt dort ein Mann namens Egbert auf dem Thron.»
    «Als ich ein Kind war, regierte in Eoferwic ein König mit dem Namen Egbert.»
    |21| «Das ist sein Sohn oder sein Enkel. Oder vielleicht sein Cousin? Jedenfalls ein Sachse.»
    «Und wer regiert Northumbrien
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