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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Autoren: Oliver P�tzsch
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Warum fragt Ihr?«
    »Schau selbst, du Rindvieh.« Der Henker zeigte mit einer weiten Handbewegung auf das Kircheninnere. »Auf den anderen Platten sind immer die Verstorbenen zu sehen. Ratsherren, Richter, reiche Weibersleut. Aber das hier ist ohne Zweifel die Jungfrau Maria. Kein Weib ist so vermessen, sich mit Heiligenschein meißeln zu lassen.«
    »Vielleicht eine Stiftung für die Kirche?«, dachte Simon laut nach.
    »Sic transit ... «, murmelte der Henker noch einmal.
    »So vergeht der Ruhm der Welt«, unterbrach ihn Simon ungeduldig. »Ich weiß, aber was hat das mit dem Mord zu tun?«
    »Vielleicht nichts mit dem Mord, aber mit einem Versteck«, sagte Kuisl plötzlich.
    »Versteck?«
    »Hast du mir nicht erzählt, der Pfarrer hätt die ganze letzte Nacht in der Kirche gearbeitet?«
    »Ja, aber …«
    »Schau dir den Kringel mal genauer an«, murmelte der Henker. »Was fällt dir auf?«
    Simon beugte sich hinunter und nahm den Kreis näher in Augenschein. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag.
    »Der Kreis geht gar nicht um die ganze Inschrift«, keuchte er. »Sondern nur um die ersten zwei Worte …«
    »Sic transit« , sagte Jakob Kuisl und grinste. »Der gelehrte Herr Doktor weiß sicher auch, was das bedeutet.«
    »So geht es hinüber ... «, murmelte Simon abwesend. Erst dann verstand er.
    »Durch ... die Grabplatte?«, flüsterte er ungläubig.
    »Die müssen wir natürlich vorher wegschieben.« Der Henker war bereits dabei, den monströsen Leichnam Andreas Koppmeyers zur Seite zu ziehen. Er packte ihn an der Soutane und schleppte ihn die paar Meter hinter den Altar.»Hier hat er erst mal seine Ruh«, sagte er. »Muss ja nicht sein, dass sich ein altes Weiberl beim Rosenkranzbeten zu Tode erschreckt.« Er spuckte in die Hände. »Und jetzt frisch an die Arbeit.«
    »Aber die Grabplatte ... sie wiegt bestimmt einige Zentner«, warf der Medicus ein.
    »Na und?« Jakob Kuisl hatte die Platte bereits mit dem Zimmermannsnagel aus der Versenkung gehebelt. Nun packte er sie mit beiden Händen und hob sie langsam, Zentimeter für Zentimeter, hoch. Fingerdicke Muskelstränge traten seitlich an seinem Hals hervor.
    »Wenn ein fetter Pfaffe sie heben kann, dann kann das ja nicht so schwer sein, oder?«, keuchte er.
    Mit einem knirschenden Krachen landete die massive Steinplatte direkt neben Simons Füßen.
     
    Magdalena Kuisl kniete im blutigen Stroh und presste ihre Hände auf den geschwollenen, geschundenen Bauch der Hainmillerin. Das Schreien der Bäuerin direkt neben ihrem Ohr ließ sie zusammenzucken. Die Kindsmutter schrie jetzt schon seit Stunden, Magdalena kam es vor, als wären es bereits Tage. Gestern Abend war die Henkerstochter gemeinsam mit der Hebamme Martha Stechlin ins Haus der Hainmillers gekommen. Zunächst schien alles auf eine normale Geburt hinzudeuten. Die Tanten, Nichten, Basen und Nachbarinnen hatten schon frisches Stroh und Binsen ausgebreitet, heißes Wasser aufgesetzt und Leinentücher bereitgestellt; es roch aromatisch nach geräuchertem Beifuß. Josefa Hainmiller lag da mit hochrotem Kopf und presste in ruhigen, regelmäßigen Stößen. Es war die sechste Geburt der Großbäuerin, und bis jetzt hatte sie alle unbeschadet überstanden.
    Doch dann verlor Josefa immer mehr Blut. Das zunächst von der geplatzten Fruchtblase zartrosa gefärbte Bettlaken hatte schon bald die Farbe einer Schlachtbank angenommen.Aber das Kind wollte und wollte einfach nicht kommen. Josefa Hainmillers anfängliches Wimmern ging zunächst in Schluchzen und dann in lautes Schreien über, so dass ihr Mann immer wieder entsetzt an die Tür klopfte und laut zur heiligen Margareta betete. Hereinzukommen wagte er nicht, dies hier war Frauensache; doch sollte seine Frau oder das Kind die Geburt nicht überleben, wusste er bereits jetzt, wer daran schuld war: die gottverfluchte Hebamme.
    Martha Stechlin tastete im Inneren der Kindsmutter nach dem quer liegenden Kinderleib. Ihre Hände steckten bis zum Ellenbogen im Bauch der Hainmillerin, deren Kleid bis über die Schenkel hochgerutscht war, trotzdem bekam die Stechlin das Kind nicht richtig zu fassen. Das Gesicht der älteren Hebamme war mit Blut besprenkelt, Schweiß lief ihr in Strömen über das Gesicht; immer wieder zwinkerte sie, wenn die Tropfen ihr in die Augen liefen.
    Besorgt blickte Magdalena hinüber zu den Tanten und Basen. Sie tuschelten, kneteten murmelnd ihre Rosenkränze und deuteten immer wieder auf die Hebamme. Erst letztes Jahr war Martha Stechlin
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