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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Autoren: Oliver P�tzsch
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des Kindsmords und der Hexerei verdächtigt worden. Nur das schnelle Eingreifen von Magdalenas Vater und dem jungen Medicus hatte sie vor dem Feuer bewahrt. Trotzdem wurde die Hebamme in der Stadt schief angesehen. Der Verdacht blieb an ihr hängen wie Kindspech. Man holte sie zwar nach wie vor zu den Geburten oder bat um ein fiebersenkendes Kräutlein, aber hinter ihrem Rücken schlugen die braven Bürger ein Kreuz und machten das Schutzzeichen gegen bösen Zauber.
    Genauso wie sie es bei mir tun, dachte Magdalena und wischte sich die verfilzten schwarzen Haare aus dem Gesicht. Ihre sonst so fröhlichen Augen blickten müde und verkniffen, in den buschigen, dichten Brauen sammelte sich der Schweiß. Sie seufzte, während sie weiter in rhythmischen Stößen auf den Leib der Kindsmutter drückte.
    Magdalena war dankbar gewesen, als die Stechlin sie vor einem halben Jahr gefragt hatte, ob sie nicht bei ihr in die Lehre gehen wolle. Als Henkerstochter hatte sie keine große Wahl. Die Henkerei war ein ehrloser Beruf, die Leute mieden sie und ihre Familie. Als Ehemann kam eigentlich nur ein anderer Henker in Betracht, und weil sie das nicht wollte, musste sie eben selber für ihren Unterhalt aufkommen. Mit ihren einundzwanzig Jahren konnte sie ihren Eltern nicht mehr länger auf der Tasche liegen.
    Der Beruf der Hebamme war im Grunde genau das Richtige für sie. Schließlich hatte Magdalena von ihrem Vater alles Wissenswerte über Kräuter gelernt. Sie wusste, dass Beifuß bei inneren Blutungen half und Petersilie dafür sorgte, dass unerwünschte Kinderlein erst gar nicht auf die Welt kamen. Sie konnte eine Salbe aus Gänsefett, Melisse und Hammelknochen zubereiten, und sie wusste, wie man mit dem Mörser Hanfsamen zerstieß, um ein junges Mädchen fruchtbar zu machen. Als sie jetzt allerdings das viele Blut, die flüsternden Tanten und die schreiende Hainmillerin betrachtete, war sie sich plötzlich doch nicht mehr so sicher ,ob sie wirklich Hebamme werden wollte. Während sie weiter presste und drückte, schweiften ihre Gedanken ab. In einer anderen Welt sah sie sich mit Simon gemeinsam vor dem Altar stehen, den Blütenkranz im Haar, ein Ja auf den Lippen; sie würden Kinder haben, und er würde als respektierter Medicus der Stadt für ein bescheidenes Auskommen sorgen. Sie könnten …
    »Träum nicht, Mädchen! Wir brauchen neues Wasser!« Martha Stechlin wandte Magdalena ihr blutbesprenkeltes Gesicht zu. Sie versuchte, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, doch ihre Augen verrieten etwas anderes. Magdalena glaubte, im verknitterten Gesicht der Vierzigjährigen ein paar neue Falten entdeckt zu haben. Ihre Haare waren im letzten Jahr fast vollständig grau geworden.
    »Und Moos zum Blutstillen! «,rief die Hebamme dem Henkersmädchen hinterher. »Sie hat schon zu viel verloren.«
    Magdalena schreckte aus ihren Gedanken hoch und nickte. Als sie zum Flur ging, glitt ihr Blick durch die überheizte, finstere Stube. Die Fenster waren verriegelt und die Ritzen mit Stroh und Lehm zugekittet. Auf den Bänken rund um den Ofen und am Tisch saßen Frauen aus der Nachbarschaft und blickten besorgt und skeptisch auf die sich abmühende Hebamme und ihre junge Helferin.
    »Ave Maria, der Herr ist mit dir ... « Einige der alten Weiber fingen an, laut ihren Rosenkranz zu beten. Offenbar gingen sie davon aus, dass Josefa Hainmiller bald zum lieben Herrgott ging.
    Magdalena eilte in den Flur, nahm aus der Hebammentasche ein Büschel Moos und füllte am kupfernen Ofenbecken die Wasserschüssel. Als sie wieder in die Stube trat, glitt sie auf dem vom Blut rutschigen Stroh aus und schlug der Länge nach hin. Das Wasser spritzte über die Röcke der alten Weiber.
    »Himmelherrgott, kannst du nicht aufpassen!« Eine der Nachbarinnen sah sie zornentbrannt an. »Überhaupt, was hast du junges Ding hier zu schaffen? Verfluchte Henkersdirn!«
    Eine zweite Nachbarin mischte sich ein. »Es ist schon wahr, was man sagt. Unglück bringt’s, wenn man den Henker im Haus hat.«
    »Sie geht bei mir in die Lehr«, keuchte Martha Stechlin, während sie weiter im Leib der schreienden Hainmillerin wühlte. »Und jetzt lasst sie in Ruh und bringt mir lieber frisches Linnen.«
    Magdalena biss die Zähne zusammen und holte von draußen neues Wasser. Tränen der Wut liefen ihr übers Gesicht. Als sie zurückkam, hatten sich die Weiber noch nicht beruhigt. Ungeachtet der Schmerzensschreie fingen sie wieder an zu tuscheln und deuteten auf sie.
    »Was soll diese
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