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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch
Autoren: Oliver P�tzsch
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ständige Wascherei? «, meldete sich eine der älteren Tanten. Ihr Gesicht war schwarz von Ruß, dreiletzte gelbe Zähne steckten noch in ihrem Mund. »Wasser hat noch nie genutzt bei einer schweren Geburt! Johanniskraut und wilder Majoran, damit muss man den Teufel ausräuchern. Weihwasser vielleicht, aber doch nicht einfaches Brunnenwasser, lächerlich!«
    Magdalena platzte der Kragen. »Ihr blöden Weiber!«, schrie sie und knallte die Schüssel auf den Tisch. »Was wisst’s ihr schon von der Heilkunst! Dreck und dummes Daherreden, das ist es, was die Leute krank macht!« Sie hatte plötzlich das Gefühl, als würde sie ersticken. Der beißende Geruch von Beifuß, Knoblauch und Rauch stieg ihr schon viel zu lange in die Nase. Mit schnellen Schritten eilte sie zum Fenster und riss die verschlossenen Läden auf. Licht flutete in die Stube, während der Rauch nach draußen zog.
    Die Nachbarinnen und Familienangehörigen hielten den Atem an. Es galt als ehernes Gesetz, dass bei Geburten nicht die Fenster geöffnet werden durften. Frische Luft und Kälte galten als der sichere Tod eines jeden Neugeborenen. Eine Zeitlang war nur das Schreien der Hainmillerin zu hören, das jetzt bis auf die Straße hinaus tönte.
    »Ich glaube, du gehst jetzt besser«, flüsterte Martha Stechlin und sah sich vorsichtig um. »Du kannst hier ohnehin nicht mehr helfen.«
    »Aber ... «, begann Magdalena.
    »Geh«, unterbrach sie die Hebamme. »Es ist für uns alle das Beste.«
    Unter den strafenden Blicken der Frauen stapfte Magdalena nach draußen. Als sie die Tür schloss, hörte sie hinter sich Tuscheln und das Schlagen von Fensterläden. Sie schluckte und versuchte mühsam, die Tränen zurückzuhalten. Warum war sie nur immer so starrsinnig! Eine Eigenschaft, die sie von ihrem Vater geerbt und schon öfter in Schwierigkeiten gebracht hatte. Gut möglich, dass der Besuch bei den Hainmillers ihr letzter Krankenbesuch als Hebamme gewesen war. Ihr Verhalten würde sich im Ort schnellherumsprechen. Und bei der Stechlin brauchte sie sich so schnell auch nicht wieder blicken lassen.
    Sie seufzte. Müde hob sie ihren Lederbeutel mit Schere, löchrigen Leintüchern und ein paar Salben über die Schulter und machte sich auf den Weg zurück nach Schongau. Vielleicht würde sie ja wenigstens Simon heute noch sehen können. Als Magdalena an den jungen Medicus dachte, spürte sie ein warmes, verlangendes Gefühl in sich hochsteigen. Die Wutverrauchte und machte einem angenehmen Kribbeln im Bauch Platz. Es war schon viel zu lange her, seit sie das letzte Mal ein paar Stunden gemeinsam verbracht hatten. An Dreikönig war es gewesen; die Sternsinger waren von Haus zu Haus gezogen und die Burschen hatten mit wilden Tiermasken, die kleinen Kinder erschreckt. Verborgen hinter den Masken, war keinem das Paar aufgefallen, das Hand in Hand in einem der Stadl unten am Lech verschwunden war.
    Das Klappern von Hufen riss Magdalena aus ihren Träumereien. Auf der breiten, von Bäumen gesäumten Straße, die kniehoch mit Schnee bedeckt war, kam ihr ein Pferd mit Reiter entgegen. Die Henkerstochter kniff die Augen zusammen und sah genauer hin. Jetzt erst bemerkte sie, dass auf dem stattlichen Hengst kein Mann, sondern eine Frau saß. Sie schien nicht von hier zu sein; ihr Blick streifte über die Landschaft, als suchte sie etwas.
    Magdalena beschloss, am Straßenrand auf die Fremde zu warten. Als die Reiterin bis auf ein paar Meter herangekommen war, erkannte die Henkerstochter, dass die Frau vor ihr aus einem reichen Haus stammen musste. Sie trug einen dunkelblauen feingewebten Umhang, unter dem ein steifer weißer Rock und polierte Lederstiefel hervorschauten. Die Hände steckten in Pelzhandschuhen, die die Zügel auffällig locker hielten. Am auffälligsten war allerdings der rotblonde Haarschopf, der unter einer Samthaube hervorlugte und ein feingeschnittenes, aristokratisch blasses Gesicht umrahmte. Die Reiterin mochte Mitte dreißig sein, von hochgewachsenerStatur, und sie war mit Sicherheit nicht von hier. Eher schien sie aus einer größeren Stadt zu kommen, vielleicht aus dem fernen München. Aber was zum Teufel hatte sie dann hier in Altenstadt verloren?
    »Kann ich Euch helfen?«, fragte Magdalena und setzte ein einladendes Lächeln auf. Die Fremde schien kurz zu überlegen, dann lächelte sie zurück.
    »Du kannst, Mädchen. Ich suche meinen Bruder. Er ist Pfarrer in dieser Gemeinde. Andreas Koppmeyer heißt er.«
    Sie beugte sich zu Magdalena
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